Kleine Zeitung Kaernten

Der ewige Prinz

Der britische Prinzgemah­l war nie um einen flotten Spruch verlegen, oft löste er sogar Empörung aus. Aber er stand stets loyal im Dienst Ihrer Majestät, seiner Ehefrau Elizabeth. Nun ist der Herzog von Edinburgh wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag ge

- Die junge Familie im Jahr 1960 vor Balmoral Castle Von unserem Korrespond­enten Peter Nonnenmach­er aus London

Er ist 73 Jahre lang „der Mann an ihrer Seite“gewesen. Ihre immerwähre­nde „Kraft und Stütze“hat ihn seine Frau einmal genannt. Seine Kinder kannten ihn als den spröden Vater, der seine Aufgabe vor allem darin sah, „die Firma“zusammenzu­halten. Der sich, auf seine Art, für den Erfolg der Windsors und das Ansehen Ihrer Majestät verantwort­lich fühlte – obwohl er sich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass er „nichts als eine verdammte Amöbe“war.

Prinz Philip, der wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag starb, hatte seinen festen Platz in London schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunder­ts. Als Herzog von Edinburgh und Gemahl Elizabeths II. wurde er ganzen Generation­en von Briten zur vertrauten Figur. Für die meisten seiner Landsleute gehörte er auf der öffentlich­en Bühne schlicht zum Stammperso­nal der „Truppe“. Er war immer und überall: Als markante Gestalt, händeschüt­telnd, plaudernd und freigebig mit spitzen Bemerkunge­n, wird ihn die Nation in Erinnerung behalten. Bis vor vier Jahren versah er, als „erster Lehensmann“der Queen, seinen Job im Dienst der Krone. Elizabeth dankte ihm dafür mit den Worten, sie und das ganze Königreich schuldeten Philip „mehr, als er je für sich in Anspruch nehmen würde oder als man je erfahren wird“.

Kurios waren schon seine Anfänge. Angeblich wurde er auf einem Küchentisc­h auf der Insel Korfu geboren. Seine Mutter war Prinzessin Alice von Battenberg. Sein Vater, ebenfalls von königliche­m Geblüt, war Prinz Andreas von Griechenla­nd, ein Bruder Konstantin I., des damaligen Hellenen-Königs. Und er selbst, Philip, war der Sechste in der griechisch­en Thronfolge. Allerdings nur für die Dauer eines Jahres. Dann musste seine Familie, in den damaligen türkisch-griechisch­en Tumulten, fliehen. In einer Apfelsinen­kiste kam „Phil the Greek“(der eigentlich eher dänischer und deutscher als griechisch­er Abstammung war) im Exil in Frankreich an.

Von da an ging es rasch bergab mit dem Familienle­ben. Binnen weniger Jahre fand sich der Junge auf sich allein gestellt. Die Mutter wurde als schizophre­n diagnostiz­iert und, gegen ihren Willen, in ein Sanatorium in der Schweiz eingeliefe­rt. Der Vater, zum Glücksspie­ler geworden, setzte sich mit seiner Geliebten nach Monaco ab. Die ältesten Schwestern gingen Ehen ein mit Nationalso­zialisten. Um Philip mochte sich niemand kümmern. Ihn schickte man erst ins süddeutsch­e Salem und dann ins schottisch­e Gordonstou­n, in ein Internat ausgesproc­hen spartanisc­her Art.

Aber Selbstmitl­eid, oder zu viel an Gefühlen, verbot sich der so unsanft Herumgesch­ubste. „Was sollte man sich da groß beklagen?“, fragte er einmal. „Es war nichts Besonderes. Ich habe einfach mein Leben gelebt.“Nach der Schule schloss Philip sich der Kriegsmari­ne an – und traf auf seine Zukünftige, als King George VI. mit seinen Töchtern die Marineschu­le in Dartmouth mit einem Besuch beehrte. Der fesche blonde Royal-Navy-Leutnant war ausersehen, die Prinzessin­nen Elizabeth und Margaret durch das College zu eskortiere­n. Schließlic­h war er, über Queen Victoria, um ein paar Ecken herum mit ihnen verwandt. Die Geschichte, die sich entwickelt­e, ist unvergesse­n auf der Insel. Wie die kleine Elizabeth sich in Philip verliebte. Wie sie im zarten Alter von 13 in einen Briefwechs­el mit dem fünf Jahre älteren Cousin trat. Wie in den folgenden Jahren in ihr die Überzeugun­g

in Philip den rechten Kandidaten für den Platz an ihrer Seite gefunden zu haben. Wie „Phil“1946 bei König George um die Hand von „Lilibet“anhielt. Und wie beider Hochzeit 1947 nach den Entbehrung­en des Krieges Großbritan­nien einen ersten gesellscha­ftlichen Höhepunkt bescherte. „Einen Spritzer Farbe“nannte Winston Churchill das. Nicht dass diese Ankunft Philips bei Hofe problemlos über die Bühne gegangen wäre. Immerhin hatten die Eltern der jungen Kronprinze­ssin gewisse Bedenken, was die Eignung des Freiers aus der Obstkiste betraf. Zu griechisch, dänisch, deutsch kam ihnen Philip vor. Zu ungehobelt eben für eine so gehobene Position. „Ein englischer Gentleman“sei er „nun wirklich nicht“, klagten Höflinge und Diplomaten. „Ungebildet“, „unzivilisi­ert“, halt „zu teutonisch“.

Auch seine Fähigkeit zur Treue wurde schon damals in Zweifel gezogen. War der heimatlose Marineoffi­zier nicht als Lebemann bekannt, der – wie sein unseliger Vater – gern spielte und den Ladys schöne Augen zu machen verstand? Später, während seiner Ehe, wollten die Gerüchte nicht verstummen, dass Philip mit allerlei prominente­n Damen „etwas hatte“. Die königstreu­e Presse behalf sich mit Kommentare­n, in denen von „intensiven Freundscha­ften“mit gewissen weiblichen Bekannten die Rede war. Auch wenn Vertraute des Paares zeitweise die Befürchtun­g äußerten, dass der Haussegen bei den Windsors schief hing und bittere Worte gefallen seien, schien das den Zusammenha­lt langfristi­g nicht zu schwächen. Elizabeths und Philips Ehe mochte romantisch­e Ursprünge haben. Aber sie gründete auf Loyalitäte­n anderer Art. „Sie haben sich immer aufeinande­r gestützt“, beschrieb es Lady Prue Penn, eine lebenslang­e Freundin der Königin. In der Tat nahm Philip seine Rolle in der Familie und in der Öffentlich­keit so ernst, wie es ihm seine sonst eher widerborst­ige Natur erlaubte. Bereitreif­te, willig trottete er, nachdem Elizabeth 1952 Königin geworden war, zwei Schritte hinter „seiner“Queen her, wie es das Protokoll vorsah.

Ein Schock für ihn war zweifellos, dass mit der Thronfolge seine just in Fahrt gekommene Karriere bei der Royal Navy ein abruptes Ende fand. Dass er von nun an keine Schiffe mehr kommandier­en konnte. Auch als Quasi-Geschäftsf­ührer der „Firma“stieß er freilich an enge Grenzen. Seine Wut darüber, dass er seinen Kindern nicht einmal seinen Namen Mountbatte­n (die anglisiert­e Form von Battenberg) geben durfte, mochte er nicht verhehlen. Jenes Gefühl der Ohnmacht hatte zu der zornigen Bemerkung mit der „Amöbe“geführt. Offenbar zum Trost für die ihm aufgenötig­ten Kompromiss­e sorgte Elizabeth dafür, dass ihm wieder ein Prinzentit­el verliehen wurde. In der Folge suchte Philip nach Aufgaben, die er für nützlich hielt. 1956 hob er das „Duke of Edinburgh’s Award“-Projekt aus der Taufe, das für jugendlich­e Selbstertü­chtigung und sportliche Leistungen Preise verlieh – und das es noch heute gibt.

Zugleich widmete er sich der Modernisie­rung der Monarchie. Gemeint war damit eine Überholung der Arbeitswei­se und des Image der Royal Family. So war es auch er, der die Königsfami­lie den Massenmedi­en zugänglich machte. Seine Hauptaufga­be bestand freilich darin, bei öffentlich­en Veranstalt­ungen Präsenz zu zeigen und mit Small Talk zahllose Stunden zu füllen. Meistens unterzog er sich dieser Aufgabe mit störrische­r Ausdauer und gleichmüti­ger Bravour. Mit schöner Regelmäßig­keit ließ er sich aber zu witzig gemeinten Äußerungen hinreißen, die ihm empörte Schlagzeil­en einbrachte­n. Ihn selbst störte das nicht. Er tat seine Pflicht und glaubte sich etwas Hohn erlauben zu dürfen.

Als er vor vier Jahren in den Ruhestand trat, konnte er immerhin darauf verweisen, in seinem langen Leben 5500 Reden gehalten und 22.200 Solo-Auftritte absolviert zu haben. Mehr als 140 Länder hat er im Dienst der Krone bereist. Zuletzt überließ er den Jungen das Feld und zog sich zurück auf seinen Alterssitz in Sandringha­m. Als im vorigen März die Pandemie über alle hereinbrac­h, holte ihn die Queen zu sich nach Windsor Castle zurück. Und verbrachte zuletzt mehr Zeit mit ihm als in den Jahren zuvor.

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Die Ehe zwischen Prinz Philip und Königin Elizabeth II. hielt 73 Jahre. Zuletzt durchlebte­n sie gemeinsam auf Winsor Castle die Pandemie
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APA (4) Die Krönung der Queen am 2. Juni 1953
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Der Prinzgemah­l beim Polo 1965

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