Sollen Klimasünder vor den Internationalen Strafgerichtshof?
Eine Gruppe von Anwälten will „Ökozid“als fünftes Verbrechen gegen den Frieden definieren. Einfach ist das Unterfangen nicht.
Ökozid“: Das ist der Titel eines Filmdramas, in dem Regisseur Andres Veiel den Klimawandel im Jahr 2034 vor Gericht verhandeln lässt. Angeklagt: die Bundesrepublik Deutschland. Die Kläger: 31 Länder des besonders betroffenen Südens. Sie werfen Berlin massive Versäumnisse bei der Bekämpfung von Umweltzerstörung und Klimawandel vor.
Ob es auch in der „echten Welt“so kommen wird, ist offen – allerdings: Eine Gruppe von Anwälten und Umweltaktivisten will nun durchsetzen, dass besonders schlimme Vergehen an der Umwelt, die Mensch, Natur und Weltklima schädigen, unter Strafe gestellt werden – und dass diese Verbrechen auch über Grenzen hinweg geahndet werden können. Die Idee dahinter: Ökologische Zerstörung soll künftig als neuer weltweit anerkannter Straftatbestand gelten, der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag als „Ökozid“anerkannt und verfolgt werden kann. So sollen Umwelt, Natur und menschliche Lebensräume geschützt werden. Bis Juni will die Gruppe dazu einen konkreten Vorschlag vorlegen.
Nationale Initiativen in diese Richtung gibt es bereits. Das Parlament in Paris sprach sich für die Einführung eines Straftatbestandes „Ökozid“in Frankreich aus. Die Maßnahme soll auf „die ernstesten Fälle von Umweltschädigungen von nationaler Bedeutung“anwendbar sein, so Umweltministerin Barbara Pompili. Bei einem Verstoß drohen bis zu zehn Jahre Haft sowie Bußgelder von bis zu 4,5 Millionen Euro.
Die Nationalversammlung nahm den „Ökozid“-Vorschlag mit 44 zu zehn Stimmen an. Anwendbar sei dieser Straftatbestand etwa bei der Verschmutzung eines Flusses in Frankreich, sagte die Ministerin. Um auch international ein Druckmittel zu erhalten, hofft sie auf die Ausweitung des Mandats des Internationalen Strafgerichtshofs.
Einfach umzusetzen ist diese Strategie nicht. Der IStGH, 2002 gegründet, urteilt auf Basis des Römischen Statuts, das vier Verbrechen gegen den Frieden definiert: Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen der Aggression. Sollte der Gerichtshof auch Verbrechen gegen die Umwelt in seine Agenden aufnehmen, müsste sein Auftrag und Statut neu definiert werden. Einer Erweiterung des Statuts müssten zwei Drittel der Mitglieder zustimmen. Ein rascher Prozess ist das nicht. Dazu kommt, dass gewichtige Staaten, die auch zu den größten Klimasündern zählen, den IStGH gar nicht anerkennen: darunter die USA, China, Russland und Indien.
UN-Umweltprogramm
Eine weitere Schwierigkeit: die Frage der Vorsätzlichkeit und der individuellen Verantwortung. Der Entwurf des französischen Ökozid-Gesetzes etwa sieht strengere Strafen vor für „die vorsätzliche, ernste und anhaltende“Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden. Viele Schäden an der Umwelt entstehen aber nicht aus einem Wunsch, die Natur zu schädigen, sondern sind die „Nebenwirkung“anderer Tätigkeiten. So forderten einige Abgeordnete in Paris, es müssten auch Umweltschäden einbezogen werden, die durch Fahrlässigkeit oder Leichtsinn verursacht worden seien.
Kate Mackintosh, die Direktorin des „Promise Institute for Human Rights“an der Universität von Kalifornien, die an der IStGH-Initiative beteiligt ist, weist auf ein anderes Problem hin: „Der Klimawandel ist so komplex, dass es schwierig ist, herauszufinden, wie sich dies in einer individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit niederschlägt“, so Mackintosh.
Philippe Sands vom University College London wiederum sieht eines der Hauptprobleme in der Definition des Begriffs Ökozid selbst. Zwar wird der Begriff seit den 70er-Jahren verwendet, doch wurde er von den Vereinten Nationen bisher noch nicht als international strafbares Verbrechen anerkannt. „Welches Ausmaß an Umweltschäden würde ein Verbrechen darstellen?“, fragt Sands. Fällt da eine Ölpest darunter, der Verlust der biologischen Vielfalt in einer Region oder ein nuklearer Unfall? Jetzt sind einmal die Juristen am Tüfteln.
Wichtig ist auch, dass bereits bestehende
nationale Umweltgesetze
konsequent umgesetzt werden.
Andrew Raine,