Super Liga
Von Franzobel
Zur Zeit der Renaissance fanden üppige Festgelage vor zahlendem Publikum statt. Für einen geringen Obolus durfte sich der Pöbel am Anblick von Lammhaxen kiefelnden Fürsten oder mit Saucen kleckernden Gräfinnen ergötzen. Mit etwas Glück fiel sogar ein abgenagter Knochen ab oder konnte man das Holzgebiss einer Durchlaucht bewundern. Etwas Ähnliches wollte dieser Tage die Aristokratie des europäischen Fußballs installieren, eine Super League mit Fixteilnehmern und fürstlichen Gewinnen. Real-Madrid-Präsident Florentino Perez, designierter Vorsitzender der neuen Liga, sprach von einer Rettung des Fußballs, von der alle profitieren. Auf die unteren Schichten regnet es Brösel, Köche und Lakaien werden beschäftigt, das Volk hat etwas zu schauen. Man versprach Hunderte Gelage der Spitzenklasse.
Doch der Heiland hatte sich verrechnet. Die Produzenten des bisher üblichen Einheitsbreis waren vom AmuseGueule dieser Idee nämlich not amused. Da war von Ausverkauf, Mord und Atomkrieg die Rede. Fans verstörten und Politiker empörten sich. Der UEFA-Präsident ließ den Chef, den er im Namen trägt, heraushängen und drohte dem beteiligten „dreckigen Dutzend“mit Ausschluss und Verdammung. Sogar ein Nationalmannschaftsbann der Spieler stand im Raum. Also war diese eindrücklich aufdringliche Super League schneller vom Herd, als eine Milch anbrennt. Doch ist die Geschichte damit gegessen? Und wäre sie tatsächlich so ein Graus? Wöchentlich käme es zu Superspielen mit Superteams, was sich super vermarkten ließe – vor allem in Asien, Amerika und auf dem Mars. Am Ende gäbe es 15 Konzerne mit jährlichen Milliardengewinnen. Alle anderen Klubs wären Ausbildungsvereine, die sich dann die nicht mehr ganz so exquisite Champions League ausspielen dürften. Für Traditionalisten gar nicht übel, gäbe es dann doch wieder Hausmannskost mit Ajax, Honved, Roter Stern und Legia.
Fußball ist längst nicht mehr, was er einmal nie gewesen ist. Paradoxerweise hat gerade die Champions League jene fetten Wollmilchsäue gesäugt, die jetzt ihren Untergang eingrunzen. Dank der Streaming-Dienste gehen jugendliche Fans verloren. Die nationalen Meisterschaften sind so spannend wie Schimmelpilz auf altem Leberkäse. Fußball ist aufgewärmte Tiefkühlkost – aufwendig verpackt, teuer, geschmacklich okay, aber ohne Substanz. Die diesmal abgewürgte Super Liga wird irgendwann trotzdem kommen. Ob es aber die Rettung ist, wenn die Supervereine in Abu Dhabi, Cincinnati oder Zhengzhou – denn darauf wird es hinauslaufen – spielen? Ob dem jemand zusehen will? Irgendwann hat sogar der letzte Fan begriffen, dass es nur um den Profit geht. Die Massen werden sich andere Sportarten suchen. Weil wer will schon dafür zahlen, anderen beim Fettwerden zuzusehen? Und Heiland Perez wird, gekitzelt von diesem Gänsekiel, sich übergeben.
1967 in Vöcklabruck geboren, ist Schriftsteller und Sportfan.