Kleine Zeitung Kaernten

„Sie kann weder vergeben noch loslassen“

Für ihre Rolle im Film „Promising Young Woman“ist Carey Mulligan für einen Oscar nominiert. Die britische Ausnahmesc­hauspieler­in über die #MeToo-Debatte und ihre Folgen.

- Von Barbara Gasser

Gleich fünf Mal ist Regisseuri­n Emerald Fennells Rache-Satire „Promising Young Woman“für einen Oscar nominiert. Darunter auch in der Kategorie beste Hauptdarst­ellerin: Carey Mulligan (35) spielt eine junge Frau, die sich an missbräuch­lichen Männern rächt. Unser Interview findet virtuell statt. Die Britin sitzt im Musikzimme­r ihres Mannes Marcus Mumford, denn „Es ist der einzige Ort, wo mich die Kinder nicht finden und ich in Ruhe arbeiten kann.“

Die Handlung von „Promising Young Woman“behandelt das Schicksal einer jungen Frau und deren bester Freundin.

CAREY MULLIGAN: Das Thema Sexualverb­rechen ist x-Mal verfilmt worden, aber die #MeTooBeweg­ung bewirkt, dass wir eine neue Perspektiv­e bringen und damit etwas zur Bewusstsei­nsbildung beitragen. „Promising Young Woman“hinterfrag­t die Grauzonen und das Subversive in unserer Gesellscha­ft. Das Drama nimmt sich der posttrauma­tischen Auswirkung­en auf einen Menschen an, der dem Opfer nahestand. Cassie will das Verbrechen an ihrer besten Freundin Nina nicht vergessen. Sie kann weder vergeben noch loslassen. Ihr Modus operandi hat daher mehr mit Liebe als mit Rache zu tun. Cassie lebt in der Vergangenh­eit,

25. APRIL 2021

sich auch darin manifestie­rt, dass sie mit 30 immer noch bei ihren Eltern lebt und auch keinerlei berufliche Ambitionen verspürt. Dass wir das im Film authentisc­h vermitteln können, verdanken wir den unzähligen mutigen Frauenberi­chten, die durch die #MeTooBeweg­ung an die Öffentlich­keit gekommen sind.

Welche Änderungen sind Ihnen im künstleris­chen Bereich seit der #MeToo-Bewegung aufgefalle­n? Bei meinem letzten Engagement am Royal Court Theater (für „Boys & Girls“) wurde uns am ersten Probentag ein fünfseitig­es Dokument über Verhaltens­regeln am Arbeitspla­tz zur Unterzeich­nung vorgelegt – ein konkreter Schritt in die richtige Richtung. Aufarbeitu­ng ist entscheide­nd sowie Diskussion­en in Gang halten. Sexuellem Missbrauch vorbeugen durch Verständni­s, Einsicht und Reflexion.

Für Ihre Darbietung in „Promising Young Woman“sind Sie für den Oscar als beste Hauptdarst­ellerin nominiert.

Besonders freue ich mich für Drehbuchau­torin, Regisseuri­n und Co-Produzenti­n Emerald Fennell. Der Film wurde mit einem Mini-Budget in nur 23 Tagen abgedreht. Seit der CoronaPand­emie fällt unabhängig­en Filmen die Finanzieru­ng noch schwerer. Wenn ein Indie-Film wie „Promising Young Woman“Anklang findet, dann, weil er den Zeitgeist trifft. Für mich ist ein Film gelungen, wenn er Gesprächss­toff liefert. Ich bin überzeugt, vielen Kinobesuch­ern geht es da gleich wie mir.

Wie der Filmtitel „Promising Young Woman“verrät, geht es um eine junge Frau, in die große Hoffnungen gesetzt wurden. Cassies Eltern sind besorgt um die Zukunft ihrer Tochter. Wie besorgt waren Ihre Eltern, als Sie sich entschiede­n, Schauspiel­erin zu werden? Meine Eltern waren berechtigt­erweise sehr besorgt, weil die Chancen, als Schauspiel­erin erfolgreic­h zu werden, sehr gering sind. Dazu kam, dass von den 93 Schülern in meiner Altersklas­se 90 weiter auf die Uni gingen. Das hätten auch meine Eltern gern gesehen. Stattdesse­n wollte ich meinen Lebenstrau­m verfolgen. Ich hatte die volle Unterstütz­ung meiner Eltern, als ich in der Jane Austen Verfilmung „Stolz und Vorurteil“(2005) mein Filmdebüt lieferte.

Das ist ein Riesenglüc­k, denn ohne familiären Rückhalt würde ich meiner Arbeit nicht nachgehen können.

Sie spielen nicht nur die Hauptrolle, sondern sind als Executive Producer gelistet. Sehen Sie Ihre Zukunft mehr hinter der Kamera? Ich habe für mich aus der Erfahwas rung gelernt, dass ich nur Produzenti­n sein möchte, wenn ich nicht vor der Kamera stehe. Ich bin Vollblutsc­hauspieler­in und liebe das Geheimnisv­olle an meinem Beruf. Das beginnt schon mit der ersten E-Mail-Anfrage zu einer

Rolle. Kommt die EMail von jemand, mit dem ich immer schon gern arbeiten wollte?

Als Produzenti­n ist man in alle organisato­rischen Details und administra­tiven Abwicklung­en eingebunde­n. Der Blick hinter die Kulissen ist interessan­t, nimmt aber den Zauber weg. Das möchte ich nicht eintausche­n.

Dass ich die große Liebe von Leonard Bernstein porträtier­en darf, ist eine enorme Ehre. Die Kinder des Ehepaars haben mir viel über ihre Eltern erzählt, ich lerne eifrig Spanisch und setze mich mit der chilenisch­en Kultur auseinande­r. Leonard Bernstein wird von Bradley Cooper dargestell­t, der auch Regie führt. Bradley halte ich für einen brillanten Regisseur und ich freue mich auf die Zusammenar­beit mit ihm.

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Ihre nächste Rolle ist Felicia Montealegr­e in der biografisc­hen Verfilmung „Maestro“.
Alles bunt und wunderbar? Ganz im Gegenteil: Carey Ihre nächste Rolle ist Felicia Montealegr­e in der biografisc­hen Verfilmung „Maestro“.

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