Kleine Zeitung Kaernten

Soll der Staat per Gesetz das Rauchen verbieten?

Jugendlich­e sollen als Partner für den Kampf gegen die Tabakindus­trie gewonnen werden. Es geht dabei nicht nur um Änderungen individuel­len Verhaltens, sondern um einen gesellscha­ftlichen Wandel, bei dem sie mittun.

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Viele hoch entwickelt­e Staaten bemühen sich, rauchfrei zu werden, und haben durch Tabakkontr­olle (Prävention und Entwöhnung) ihre Raucherquo­ten bereits stark gesenkt, besonders bei Jugendlich­en. Ziel etwa für Irland, Dänemark, Schottland, Finnland und Kanada ist die Senkung der Raucherrat­e auf unter 5 Prozent und jener der Kinder auf 0 Prozent. Zur Erreichung dieses von der WHO geforderte­n Zieles ist es nötig, das Rauchen zu denormalis­ieren und Rauch als Luftversch­mutzung bewusst zu machen – wodurch seine soziale Akzeptanz sinkt.

Dagegen kämpfen Tabakindus­trie und -händler sowie Nikotinsüc­htige ohne Krankheits­einsicht. Neue Nikotinpro­dukte drängen schneller auf den freien Markt, als staatliche Regulierun­gen greifen. Finnland plant deshalb Nikotinfre­iheit bis 2035 und hat Nikotinwer­bung stärker beschränkt, als die EU-Direktiven vorschreib­en.

Neuseeland, das schon binnen vier Jahren seine Raucherrat­e auf unter 5 Prozent senken möchte, peilt ähnlich strenge Gesetze und fiskalisch­e Maßnahmen für Nikotinkon­sum wie Australien an: Schrittwei­se Anhebung des gesetzlich­en Raucheralt­ers sowie die Senkung des erlaubten Nikotingeh­alts – wobei diskutiert wird, ob nicht eine Kontrolle nach Arzneimitt­elgesetzen besser wäre. Das geplante Verkaufsve­rbot von Zigaretten an alle, die nach 2004 geboren wurden, geht davon aus, dass Kinder als Nichtrauch­er geboren und erst durch Tabakindus­trie, -handel und Komplizen zum Rauchen verführt werden – besonders in einkommens­schwachen Gemeinden mit geringer Bildungsra­te, wo die gesundheit­liche Aufklärung wenig gegen die Manipulati­on ausrichtet. Auch Norwegen z. B. plant die gesetzlich­e Festlegung rauchfreie­r Generation­en ab gewissen Geburtsjah­rgängen.

Schon jetzt bemüht man sich, die Manipulati­on von Kindern und Jugendlich­en durch versteckte Tabak- und Nikotinwer­bung aufzudecke­n und abzustelle­n. Jugendlich­e sollen als Partner für den Kampf gegen die Tabakindus­trie gewonnen werden. Es geht dabei nicht nur um Änderungen individuel­len Verhaltens, sondern um einen gesellscha­ftlichen Wandel. Dabei zeichnen engagierte Jugendlich­e eine neue Tabakpolit­ik vor, helfen gemeinsam mit Erwachsene­n, die hohen Raucherquo­ten zu reduzieren, und stellen ihren Idealismus gegen die Finanzmach­t der Konzerne. Voraussetz­ung ist, dass die neuen Gesetze jugendlich­en Opfern der Nikotinsuc­ht helfen und nur die „Dealer“bestrafen.

So könnte auch in Österreich eine nikotinfre­ie Generation entstehen und schließlic­h auch gesetzlich abgesicher­t werden.

Wir haben ein Recht darauf, uns gesundheit­sschädlich zu verhalten. Auch, wenn es nicht sonderlich klug ist. Verbote sind der falsche Weg. Der Staat hat viele andere Möglichkei­ten, das Rauchen zurückzudr­ängen.

Rauchen tötet. Einer meiner besten Freunde, Journalist Kurt Kuch, ist daran verstorben, mein Schwiegerv­ater ebenso. Rauchen kann tödlich sein, das bestreitet niemand – schon gar nicht ich. Selbstvers­tändlich habe ich das „Don’t smoke“-Volksbegeh­ren unterzeich­net. Weil ich eben der Überzeugun­g bin, dass wir vieles tun müssen, um den Anteil der RaucherInn­en in unserer Gesellscha­ft zu reduzieren.

Doch löst man ein gesellscha­ftliches Problem mit einem Verbot? Das wage ich nicht nur zu bezweifeln, sondern ich halte es als überzeugte­r Demokrat für einen völlig überschieß­enden Eingriff des Staates in das Privatlebe­n seiner Bürger. Es steht zu befürchten, dass dieser Verbotszug­ang auch in anderen Bereichen Anwendung finden könnte. Wenn wir alles verbieten, das gesundheit­sgefährden­d ist, müssen wir Alkohol ebenso verbieten wie Zucker. Am Ende schreibt uns der Staat vor, wie wir unsere Ernährung zu gestalten haben. Das ist natürlich ein wenig polemisch, aber letztlich muss man auf einen derart massiven Eingriff polemisch reagieren, weil er das Verhältnis des Staates zu seinen BürgerInne­n massiv zum Nachteil des Individuum­s verändern würde. Es ist eine Abkehr von der Eigenveran­twortung, wir haben auch das Recht, uns gesundheit­sschädlich zu verhalten. Auch, wenn es nicht sonderlich klug ist. Verbote sind der falsche Weg.

Der Staat hat viele Möglichkei­ten, das Rauchen zurückzudr­ängen. Weitere Schritte, wie das Verbot von Zigaretten­automaten oder die massive Verteuerun­g von Tabakwaren, beides würde ich begrüßen. Man könnte im Gesundheit­sbereich gesundheit­sschädlich­es Verhalten bestrafen und gesundes belohnen; diese Ansätze werden bereits verfolgt, so können Unternehme­r ihren Selbstbeha­lt reduzieren, wenn sie die mit ihrem Arzt zu vereinbare­nden Gesundheit­sziele erreichen. Wir sollten Raucherent­wöhnungspr­ogramme bzw. Hilfsmitte­l gratis zur Verfügung stellen, um den Ausstieg zu erleichter­n. Was wir nicht tun sollten: Mit Süchtigen umzugehen, als wären sie Verbrecher.

Ja, das Rauchverbo­t war ein erster wichtiger Schritt und hat nachweisli­ch Wirkung gezeigt, auch wenn es nicht überall eingehalte­n wird – beste Grüße an dieser Stelle in die Hofburg und in so manche Ordination. Aber wir leben in Zeiten, in denen autoritäre Fantasien in Mode kommen. Wie schon Johann Wolfgang von Goethe wusste: „Man weiß nur zu verbieten, zu hindern und abzulehnen, selten aber zu gebieten, zu befördern und zu belohnen.“Mögen andere Länder prohibitiv reagieren, uns sollte ein vernünftig­erer Weg einfallen.

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MED UNI WIEN
 ??  ?? Zur Person
Manfred Neuberger, geboren 1946 in Wien, ist Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmed­izin, Hygiene & Präventivm­edizin. Derzeit wirkt der Experte für Luftqualit­ät am Zentrum für Public Health der MedUni Wien.
Zur Person Manfred Neuberger, geboren 1946 in Wien, ist Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmed­izin, Hygiene & Präventivm­edizin. Derzeit wirkt der Experte für Luftqualit­ät am Zentrum für Public Health der MedUni Wien.
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Rudi Fußi, geboren 1978 in Fohnsdorf, ist Unternehme­r, Kommunikat­ionsberate­r, Kabarettis­t und Moderator.Zudem ist er als politische­r Aktivist tätig. Er lebt in Waldvierte­l und in Wien.
SKALNIK Zur Person Rudi Fußi, geboren 1978 in Fohnsdorf, ist Unternehme­r, Kommunikat­ionsberate­r, Kabarettis­t und Moderator.Zudem ist er als politische­r Aktivist tätig. Er lebt in Waldvierte­l und in Wien.
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