Warum wir uns vor Schlangen fürchten und was man dagegen tun kann.
Warum uns die Angst vor Schlangen gewissermaßen in die Wiege gelegt ist und wie wir trotzdem lernen können, mit (ungefährlichen) Vertretern dieser Spezies ganz entspannt umzugehen.
Zugegeben, der Python, der aus einem privaten Terrarium ausbüxt und über ein Abflussrohr ins WC des Nachbarn gelangt (die Kleine Zeitung berichtete), kann bei diesem wohl nur Panik auslösen. Derzeit rufen aber auch massenweise Menschen die Natur- und Bergwacht zur Hilfe, weil sie in freier Natur einer harmlosen, heimischen Schlange begegnet sind.
Schlangen machen uns also Angst. „Das ist ein häufiges Phänomen“, sagt Ulrich Müller vom Lehrstuhl für Biologische und Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Mannheim. Krankhafte Dimensionen dieser Angst (wir sprechen dann von einer Phobie) würden allerdings nur etwa zehn Prozent der Fälle betreffen. Die weithin verbreitete Angst-Reaktion auf diese Tiere dürfte jedenfalls etwas mit unserer evolutionären Vergangenheit zu tun haben. Schlangen haben in der Evolutionsgeschichte über lange Zeiträume eine Bedrohung für Menschen dargestellt – und es war wohl von Vorteil, sie schnell zu erkennen, um zu fliehen oder sich verteidigen zu können.
Die These lautet also: Die Angst vor Schlangen ist uns in die Wiege gelegt. Wenn das stimmt, müssten allerdings schon Babys ängstlich auf Schlangen reagieren. Zu den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die dazu ein groß angelegtes Experiment durchgeführt haben, gehört Stefanie Höhl, die den Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie an der Universität Wien leitet. In dieser Studie von 2017 wurden sechs Monate alten Babys Schlangen- und Spinnenbilder abwechselnd mit Fotos von Tieren gezeigt, die zwar eine gewisse Ähnlichkeit hatten, aber andere Tiere waren. Das Resultat? „Unsere Hypothese wurde dahingehend bestätigt, dass Babys auf Schlangen- und Spinnenbilder mit einer höheren Pupillenreaktion reagiert haben als bei den Vergleichsbildern“, sagt Höhl.
Das sei zwar nicht unmittelbar mit Angst gleichzusetzen, weil Angst ein komplexeres Phänomen ist, zu dem auch ein Gefühl der Angst und eine bestimmte Verhaltensreaktion gehören – was hier nicht messbar war – „aber die physiologische Stressreaktion war erkennbar“, erklärt Höhl.
Einfach gesagt: Der Körper schlägt beim Anblick von Schlangen Alarm, um sich auf Flucht oder Kampf vorzubereiten. Das ist schon bei Babys erkennbar. „Was uns in die Wiege gelegt sein dürfte, ist also die Bereitschaft, diese Ängste zu erwerben“, bringt es die Expertin auf den Punkt. Es entwickle dann aber freilich nicht jeder Mensch diese Ängste, „weil Menschen im Laufe ihres Lebens Lernerfahrungen machen, und die können positiv oder negativ sein“.
Mit dem bloßen Verstand ist diesen Ängsten jedenfalls nicht beizukommen. Das Argument, dass Schlangen, die bei uns in freier Natur vorkommen, großteils harmlos sind, ist keine Hilfe. Weil Stressreaktionen im Gehirn von der Amygdala, einer evolutionär sehr alten Struktur, gesteuert werden, die extrem schnell reagiert – noch bevor die Hirnrinde eingreifen kann und sie unser Verhalten beeinflussen könnte.
Ulrich Müller, der zur visuellen Wahrnehmung von Angstreizen forscht, sagt dazu: „Reize, die Angst auslösen, haben einen schnelleren Zugang zum Bewusstsein und werden eher angesehen.“Weitere Befunde würden außerdem darauf hindeuten, dass angstauslösende Objekte auch größer wahrgenommen werden, als sie sind.
Für Menschen mit einer (Tier-)Phobie gibt es jedenfalls eine gute Nachricht: Dagegen gibt es sehr erfolgreiche Behandlungsmethoden, Psychologen wissen Rat. Aber wie verhindert man, dass sich derartige Ängste überhaupt erst etablieren? Wie können Eltern hier ihren Kindern helfen?
„Tatsächlich zeigen Studien, dass bei Eltern mit einer Angststörung die Chance erhöht ist, dass auch die Kinder eine solche entwickeln“, sagt Höhl. Ängste sind aber nicht nur ein Temperamentsfaktor, der genetisch bedingt ist, sondern werden auch am Modell, also von den Eltern, gelernt. „Es ist also wichtig, dass Eltern ihr Kind ermutigen, sich in die Welt hinauszuwagen und sich den Ängsten zu stellen. Nur so kann es positive Erfahrungen machen, was auch die Ängste abbaut“, betont Höhl.