Werft uns bitte nicht alle in einen Topf!
„Sieht man mich plötzlich anders? Kann man nicht mehr sehen, wie sehr ich mich bemühe, Teil der Gesellschaft sein zu können?“
Es geht hier um einen Blumentopf zwischen uns, Afghanen, und der österreichischen Bevölkerung. Wir können uns eine Blume vorstellen. Eine Blume, die wir, die afghanischen Einwohner Österreichs, täglich gießen und dafür sorgen, dass sie wächst, blüht und gedeiht. Nach langem Gießen und großer Fürsorge kommt plötzlich eine Person und reißt die Blume aus. Was übrig bleibt, ist die verwelkte Pflanze; aber niemand redet mehr darüber, wie wir diese Blume gegossen haben, wie sehr wir uns bemüht und nie aufgegeben haben.
Es ist schrecklich, was vor Kurzem in Wien passiert ist. Aber diese Menschen, die mutmaßlichen Täter, können aus irgendeinem Land kommen, aus irgendeinem Eck dieser Welt, es sind einzelne Personen und nicht Nationalitäten. Ich finde es traurig, wenn ich in meinem Freundeskreis oder in der Schule bezüglich dieses Vorfalls angesprochen werde. Was hat sich geändert, bin ich etwa nicht mehr die Person, die man vorher kannte? Sieht man mich plötzlich anders? Kann man nicht mehr sehen, wie sehr ich mich bemühe, Teil dieser Gesellschaft sein zu können? Es tut weh, wenn ich ständig mit Vorurteilen über meine Heimat konfrontiert und abgestempelt werde, ohne dass meine Werte, Qualitäten und guten Seiten beachtet werden. Meine Bemühungen, mich in diesem Land, meiner neuen Heimat, zurechtzufinden und zu bewähren. Nur weil auf meinem Ausweis „Afghanistan“steht, heißt das nicht, das ich eine Verdächtige, Straftäterin oder Verbrecherin bin. Ich gebe täglich mein Bestes. Ich gehe hier in die Schule, habe Freundinnen aus Österreich, Afghanistan und anderen Ländern, im nächsten Jahr werde ich hoffentlich meine Matura machen. Vielleicht ist es eine Reifeprüfung für alle, Menschen als Einzelwesen wahrzunehmen und nicht als Masse. Als Mädchen möchte ich sagen, dass sich der Tod dieses 13-jährigen Mädchens wie ein Stich in meinem Herzen anfühlt, und dass die Täter hart bestraft werden müssen. Ja, diese jungen Männer sind Afghanen. Aber vor allem sind es schlechte Menschen, wie es sie in jedem Land gibt. Werft uns bitte nicht alle in einen Topf. Die meisten von uns gießen die Blumen.