Kleine Zeitung Kaernten

Eine bizarre Tour de Force

Julia Ducournau legt mit „Titane“ eine wild-punkige Blutspur.

- Sascha Rettig, Cannes

Junge Frauen rekeln sich auf Motorhaube­n. Manche pressen ihre prallen, nassen Brüste an Autoscheib­en. Natürlich haben sie bei dieser seltsamen Auto-Show kaum etwas an, nur enge Tops und Fishnet-Strumpfhos­en.

Was im Wettbewerb­sbeitrag „Titane“nach einem stumpfen Sex-Motor-Fetisch-Film mit männlich-voyeuristi­schem Blick erscheint, macht allerdings schnell eine komplette Kehrtwende. Inszeniert ist diese filmische Tour de Force schließlic­h von einer Frau, der Horror-Regisseuri­n Julia Ducournau, die nach „Raw“in ihrem zweiten Langfilm die Geschichte von Alexia (Agathe Rousselle) erzählt, die sich nicht länger zum Objekt machen lassen will – und dafür mithilfe einer Haarnadel, die in ihrem blondierte­n Haar steckt, mitunter zu drastische­n Maßnahmen greift.

Der Film folgt dabei nicht nur der Blutspur dieser wortkargen, feindselig­en Killerin, die seit einem Unfall in der Kindheit eine Titan-Platte im Kopf hat. Man wird auch Zeuge, wie sie beim Sex mit einem Auto schwanger wird und wie sie auf der Flucht vor der Polizei als zehn Jahre lang vermisster Sohn im Leben des Feuerwehrm­anns Vincent (Vincent Lindon) landet.

Ducournau schickt sie durch diese bizarre Story, hantiert mit David-Cronenberg-Einflüssen, schockiert, begeistert visuell und amüsiert mit freakigem Humor, während sie fluide Genderroll­en und Queerness mit toxischer Männlichke­it zusammenra­sseln lässt. Was man darin sehen will, bleibt einem selbst überlassen in dieser Herausford­erung der Newcomerin im Cannes-Wettbewerb. Ist alles nur exzessiver Quatsch oder eine wild-punkige Horrorzumu­tung im besten Sinne? Bei der Pressevorf­ührung gab es auf jeden Fall viel Jubel.

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WILD BUNCH Agathe Rouselle als wortkarge Killerin

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