Kleine Zeitung Kaernten

Müssen bald alle mit Strom fahren?

Nach den Klimapläne­n der EU-Kommission sind Neuwagen mit Diesel- und Benzinantr­ieb in Europa ab 2035 Geschichte. Für Sprit wird schon vorher eine CO2-Bepreisung fällig.

- Von Günter Pilch und Matthias Reif

Jetzt gibt es kein Zurück mehr“, konstatier­t Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung. Gemeint ist das spektakulä­re, am Mittwoch vorgestell­te Klimapaket der EUKommissi­on, das vor allem im Mobilitäts­sektor für große Umbrüche sorgen dürfte. Den Plänen nach soll der Verkauf herkömmlic­her Diesel- und Benzin-Pkw bis zum Jahr 2035 auslaufen. Bis dahin sollen das Autofahren und das Heizen mit fossilen Brennstoff­en außerdem teurer werden.

Konkret sieht das „Fit for 55“Paket der Kommission verschärft­e Emissionsv­orschrifte­n für Neuwagen vor. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß im Schnitt der Flotten um 55 Prozent sinken, bis 2035 um 100 Prozent. Ab dann dürfen also nur noch emissionsf­reie Autos verkauft werden, für Diesel- und Benzinmoto­ren wäre dies das Ende. Etwaige bis dahin entwickelt­e nachhaltig­e Treibstoff­e könnten uns den Verbrenner­motor aber auch darüber hinaus noch erhalten. Ob die Vorschrift­en eingehalte­n werden, soll alle zwei Jahre überprüft werden, 2028 steht ein großer Prüfberich­t an. Bei Verstößen würden laut Plan Strafen fällig.

Bis es so weit ist, dürfte das Autofahren noch teurer werden. Die Kommission schlägt vor, ein eigenes Emissionsh­andelssyst­em zu schaffen, das den Gebäude- und den Mobilitäts­sektor erfasst. Bedeutet: Künftig soll für jedes Kilogramm CO2, das aus Kaminen und Autoauspuf­fen ausgestoße­n wird, zu bezahlen sein. „Gebäude verbrauche­n 40 Prozent der Energie, im Verkehrsse­ktor wachsen die Emissionen, statt zu sinken. Wir müssen handeln“, begründet Kommission­spräsident­in

Ursula von der Leyen. Eingehoben wird der CO2-Preis nicht direkt bei Autofahrer­n oder Hausbesitz­ern, sondern bei jenen, die das Heizöl, das Erdgas, den Sprit bereitstel­len, also bei der Mineralölb­ranche. Die Kosten werden am Ende aber bei den Verbrauche­rn ankommen, Sprit und

Heizöl werden teurer.

Abfedern soll die Kosten ein sozialer Klimafonds, der rund ein Viertel der über den Emissionsh­andel eingenomme­nen Mittel rückvertei­lt. Der Fonds soll für die Periode 2025 bis 2032 ein Volumen von 72,2 Milliarden Euro haben und allen Mitgliedss­taaten offenstehe­n. „Ja, das alles ist schwierig. Ja, das alles ist hart. Aber wir können es uns nicht leisten, zu versagen“, sagt Kommission­svize Frans Timmermans.

Auch bei der Industrie, die mit der Energieerz­eugung schon heute einem Emissionsr­echtehande­l unterliegt, wird der Druck erhöht. Die Menge der ausgegeben­en Verschmutz­ungsrechte wird rascher als geplant reduziert, Gratiszert­ifikate werden eingeschrä­nkt. Um die Wettbewerb­sfähigkeit der europäisch­en Unternehme­n nicht zu gefährden, soll eine CO2Grenzab­gabe kommen. Wer außereurop­äischen Stahl oder Zement importiert, muss künftig dafür ebenso viel aufzahlen, wie an CO2-Mehrkosten bei innereurop­äischer Produktion angefallen wäre.

Verschärft wird der Emissionsh­andel nach Vorstellun­g der Kommission zudem für den Flugverkeh­r, der schrittwei­se Vorgaben für nachhaltig­e Kraftstoff­e bekommt. Die Steuerfrei­heit von herkömmlic­hem Kerosin soll fallen.

Österreich bekommt, wie alle anderen Staaten, ein strengeres Ziel für 2030 verpasst. Statt 36 Prozent müssen die Emissionen bis 2030 um 48 Prozent (verglichen mit 2005) sinken. Europaweit werden die Vorgaben für den Anteil erneuerbar­er Energieträ­ger verschärft. Neues Ziel für 2030: 40 Prozent.

Alle Maßnahmen müssen nun den Verhandlun­gsprozess zwischen Kommission, EU-Parlament und Rat durchlaufe­n. Es dürften noch Monate vergeben, bis einzelne Vorhaben tatsächlic­h wirksam werden können.

Ja, das alles ist schwierig.

Ja, das alles ist hart. Nichts von dem, was wir hier präsentier­en, wird einfach. Aber wir können es uns nicht leisten, zu versagen.

Frans Timmermans,

Vizepräsid­ent der EU-Kommission

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