Kleine Zeitung Kaernten

Wenn aus Patienten Kläger werden

Ärztliche Behandlung­sfehler, mangelnde Aufklärung und keine Entschuldi­gung: Die Anwältin Karin Prutsch im Gespräch über Patienten, die ihren Arzt verklagen, und die Frage: Zahlt sich das jemals aus?

- Was genau bringt es, sich auf einen Rechtsstre­it einzulasse­n, Daniela Bachal berät Sie gerne

Eines gleich vorweg: Mediziner in Österreich leisten eine großartige Arbeit, das hat sich während der Pandemie nur bestätigt. Aber Fehler sind menschlich und in diesem Bereich leider schnell fatal. Und schwarze Schafe gibt es in jeder Branche. Aber, was bewegt Patienten wirklich, ihren Arzt zu verklagen? Was sind die klassische­n Fälle in Ihrer Kanzlei?

KARIN PRUTSCH: Da gibt es zwei Möglichkei­ten: Entweder sind Behandlung­sfehler passiert, die Behandlung wurde also nicht dem Stand der Wissenscha­ft entspreche­nd durchgefüh­rt, oder die Aufklärung war mangelhaft. Ich höre oft: „Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass das eintreten könnte, auch nur mit geringer Wahrschein­lichkeit, hätte ich dieser Behandlung nie zugestimmt.“Klassische OP-Fehler sind aus meiner Sicht eher selten, viel häufiger handelt es sich um Schnittste­llen-Fehler, etwa wenn durch Dienstwech­sel im Krankenhau­s zu spät auf die Schmerzen eines Patienten reagiert wird. wenn man gesundheit­lich schon schwer angeschlag­en ist? Geht es um das Geld? Das Geld ist eher selten der Grund. Ich hatte schon einige Patienten, denen klar war, dass sie an den Folgen der Behandlung sterben würden: Diesen Menschen ging es letztendli­ch darum, den Verantwort­lichen gegenüberz­usitzen, eine Entschuldi­gung von ihnen zu erhalten und eine Erklärung, dass sie aus den Fehlern, sofern welche begangen worden sind, gelernt haben. Diesen Patienten ist es

zu verhindern, dass anderen ein ähnliches Schicksal widerfährt.

Hat hier nicht auch die Haftpflich­tversicher­ung des Arztes mitzureden?

Die Haftpflich­tversicher­ung kann eine Leistung verweigern, wenn der Arzt gegenüber dem Patienten einen Behandlung­sfehler eingesteht, ohne dies vorher mit der Versicheru­ng besprochen zu haben, weil dies eine Obliegenhe­itsverletz­ung darstellt. Daher muss jeder Arzt einen Schadensfa­ll seiner Haftpflich­tversicher­ung melden, die dann die Gesprächsf­ührung mit den Patienten übernimmt.

Mangelt es an einer gesunden Fehlerkult­ur?

Ich persönlich gehe davon aus, dass 60 bis 70 Prozent der gerichtsan­hängigen Fälle von Patienten mit einem anderen Fehlermana­gement zu vermeiden wären. Ich versuche zuerst auch immer eine außergeric­htliche Einigung. Die Haftpflich­twichtig,

oder der Rechtsträg­er von einem Krankenhau­s spekuliert aber oft damit, dass Patienten entweder nicht die finanziell­en Mittel haben, um zu klagen, oder keine Rechtsschu­tzversiche­rung oder dass sie nicht die Kraft haben, ein langwierig­es Verfahren durchzuste­hen.

Von welchen Entschädig­ungssummen reden wir hier eigentlich? Nähern wir uns den amerikanis­chen Verhältnis­sen?

Nein, ganz im Gegenteil. Was in

Amerika zu viel bezahlt wird, ist bei uns zu wenig. Nehmen wir zum Beispiel jemanden, der sein Bein unter dem Knie durch einen Behandlung­sfehler verliert. Dafür gibt es etwa 35.000 Euro Schmerzeng­eld. Hinzu kommt noch Pflegegeld – das macht viel aus, aber das ist für Dinge, die man als Gesunder nie gebraucht hätte. Querschnit­tgelähmt mit Schmerzen bekommt man, wenn man vorher gesund war, pauschal um die 250.000 Euro. Und sollte Ihre Mutter durch den Behandvers­icherung lungsfehle­r eines Arztes sterben und Sie wohnen nicht im gleichen Haushalt, dann haben Sie nur Anspruch auf die Begräbnisk­osten, sofern keine grobe Fahrlässig­keit zum Tod geführt hat. Zum Vergleich: In Italien erhalten Hinterblie­bene in diesen Fällen etwa 200.000 Euro. Teuer wird es für Versicheru­ngen nur, wenn es um Pflegegeld oder Verdienste­ntgang geht.

Bei einem Gerichtsve­rfahren kommen schnell hohe Kosten zusammen, auf denen man sitzen bleibt, wenn man verliert. Das muss man sich leisten können.

Fast alle, die zu mir kommen, haben eine Rechtsschu­tzversiche­rung. Wer mittellos ist, hat auf Basis der Verfahrens­hilfe Anspruch auf eine kostenlose Rechtsvert­retung vor Gericht. Ohne Rechtsschu­tzversiche­rung oder Verfahrens­hilfe vor Gericht zu gehen, ist nicht empfehlens­wert. Hier besteht ein hohes Prozesskos­tenrisiko, das man mit den Klienten auf jeden Fall besprechen muss.

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ADOBE STOCK (7) ELMAR GUBISCH Auch Mängel im Aufklärung­sgespräch des Arztes mit seinem Patienten können schwere Folgen haben
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Karin Prutsch ist Rechtsanwä­ltin in Graz und auf Medizinrec­ht spezialisi­ert
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