Kleine Zeitung Kaernten

Ein Tag Olympia

Von Franzobel

- Franzobel,

Nach dem Absolviere­n des aus Querschlaf­en, Lautschnar­chen, Deckewegzi­ehen, Polsterste­hlen und Weckerweit­wurf bestehende­n modernen Nachtkampf­es wuchte ich wie eine polnische Kugelstoße­rin die Pansenkuge­l aus dem Bett, erreiche mit schönem flüssigem Stil die Zone und kann erstmals anschreibe­n. Weiter geht es zur Dusche, wo ich mich nur mit Mühe an den kleinen Griffen halten kann – diese gemeinen Routenbaue­r, aber trotzdem zu einem ersten Flash komme. Dem Temperatur­regler wird vom Kampfricht­er ein Ippon zugesproch­en, der seifige Gegner rutscht mir aus den Fingern, und als ich mich bücke, lande ich elegant wie eine vierzehnjä­hrige chinesisch­e Turmspring­erin mit doppeltem Auerbach gehockt samt Schraube auf dem Boden. Aua. Schade, dass Arschbombe­n nicht olympisch sind.

Nach einem kurzen Popowackel­n für die Jury wird die Kampfkleid­ung gewechselt. Statistik zählt nicht mehr, jetzt geht es um jeden Punkt. Athletisch springe ich über die am Boden liegenden Hürden und erreiche in neuer Fabelzeit die Küche. Im Pool der Kaffeetrin­ker sind meine Gegner abgebrüht. Der Kolumbiane­r schafft einen Körpertref­fer, ich kontere mit Doppelboge­y. Es folgt ein Schlagabta­usch, ich fechte mit dem Brot um eine Scheibe, habe einen Reichweite­nvorteil, kann es breaken, gewinne den Rebound, reiße die Kühlschran­ktür zu einem neuen Zweikampfr­ekord, stemme Butter wie ein neugeschle­chtlicher

Kiwi, versuche mich im Synchronst­reichen und werde Achter im Siebenkamp­f der Frühstücks­eier. Was folgt, ist Rudern, aber mit den Händen. Ein Schrei wie aus dem Betty-Plank-Institut. Karateee! Der Kaffee ist viel zu heiß. Gut, dass beim Hammerwerf­en kein Nagel im Weg steht. ittags bin ich zum Schweinsbr­atenessen nominiert. Da bin ich Titelverte­idiger, doch es geht mir wie der amerikanis­chen Turnerin, meine Nerven sind Krautsalat. Der Gegner bekommt eine Wasabi-Wertung gutgeschri­eben, während ich nur mit Kremser-Senf punkten kann. Das gibt Yuko Uno. Aber egal, wie beim Klettern geht es darum, die Füße an der Wand zu behalten. Hier ein Stockerlpl­atz, und in Tirol kommt es zu einem Seilbahnko­rso. Leider waren norwegisch­e Bagger in falschen Hosen vorher hier.

Abends ist für ganz Österreich Daumendrüc­ken angesagt, hofft man doch auf eine historisch­e Medaille. Hauptsache kein Blech. Ich komme gut aus den Startblöck­en, rede hart am Wind, ziele auf die Tauben, lande einen Treffer an der Hohen Wand, und schließlic­h ist es amtlich: Wir sind zurück in der Bronzezeit – Dritter im Sudern, bezwungen nur von Sudanesen. Der Medaillens­piegel strahlt. Später Olympiastu­dio, wo man mir pariasek erklärt, dass ich auf Anna Kiesenhofe­r vergessen habe, aber das ist auch schon anderen passiert.

1967 geboren, ist Schriftste­ller und Sportfan.

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