„Ich arbeite mit Buben, was gibt’s Besseres?“
Motorsportlegende und Rookies-Cup-Betreuer Gustl Auinger über „seine“Buben, Gefahren und den Rossi-Abschied.
Herr Auinger, vor einem Jahr hatten Sie die Hoffnung, dass heuer alles normal abläuft. Wie viel Normalität gibt es für die Rookies?
GUSTL AUINGER:
Ja, da hatten wir noch Hoffnung. Normal ist leider wenig. Unser riesiges Glück ist, dass der Rookies Cup der Dorna sehr wichtig ist, wir durften immer fahren. Freilich achten wir extrem auf Disziplin. Die oft fehlenden Fans haben die Buben nicht so bemerkt – sie fahren ja immer, wenn alles andere vorbei ist. Da sind ohnehin kaum mehr Fans an der Strecke, die einem zujubeln.
2020 sahen Sie keinen Österreicher, der im Rookies Cup fahren könnte. Jetzt gibt es mit Jakob Rosenthaler doch einen ...
Wir hatten immer wieder Österreicher bei den Sichtungen, aber keiner hat das nötige Level gehabt. Jakobs großes Glück war Corona, so blöd das klingt:
Es gab keine Sichtungen und wir wollten einen deutschsprachigen Fahrer. Im Northern Talent Cup hat er gut abgeliefert, sein Umfeld passt. Wir wollen ihm diese Chance geben. Und er hat schon Punkte eingefahren!
Sie sind heuer 66 geworden, denken Sie ans Aufhören?
Es gibt Tage, da höre ich 15 Mal auf (lacht). Bei mir fahren Rookies mit, die waren noch nicht einmal auf der Welt, als ich mit dem Rookies Cup angefangen habe. Es ist mein 15. Jahr. Corona hat uns das Leben schwer gemacht, mich hat das Virus auch erwischt. Mental merke ich, dass ich nicht mehr so belastbar bin seit der Infektion. Aber die Arbeit mit den Buben macht riesigen Spaß. Die Techniker arbeiten mit Titan und Karbon und den edelsten Materialien, aber ich arbeite mit Buben – was gibt’s Besseres?
Zuletzt überschatteten mehrere tragische Unfälle das Renngeschehen. Wie gehen die Nachwuchsfahrer damit um?
„Motorsport is dangerous“steht überall. Aber irgendwann wird das zur Floskel. Als Jason (Jason Dupasquier, Anm.) starb ... er war ein Jahr davor noch einer meiner Buben. So etwas hievt dich zurück in die Realität. Letztlich können die Fahrer nur selbst entscheiden, wie es für sie weitergeht. Aber die Buben sind viel stärker, als wir alle glauben. Sie haben gleich gesagt, wir fahren für Jason weiter. Und alle sind gefahren. Ich werde das bis zu meinem jüngsten Tag nicht vergessen. Ich bin zu den Buben hingerannt, habe sie alle umarmt. Weißt du, die Buben sind maximal 16, das sind Frechdachse. Aber diese Umarmung, das war etwas Besonderes. Ich kriege heute noch Gänsehaut. An diesem Tag sind sie alle gefahren wie Weltmeister.
In Spielberg werden auch Kinder im Publikum sitzen, die vielleicht selbst davon träumen, Rennfahrer zu werden. Was würden Sie diesen Kindern raten?
In Sachen Nachwuchs passiert endlich etwas in Österreich! Bisher hatte man erst ab 13 Jahren die Möglichkeit, zu starten. Dabei gibt es Mini Bikes schon ewig und drei Tage. Ab zehn Jahren kann man damit Rennen fahren, die Dorna fördert das. Kinder können es gleich hier im Driving Center des Red-BullRings ausprobieren. Und wenn es einem Buben, einem Dirndl taugt, dann sind sie davon eh nicht mehr wegzubringen.
Valentino Rossi hat diese Woche sein Karriere-Aus bekannt gegeben. Der richtige Moment?
Er ist ein Mensch, der so viel gewonnen und so viele Leute zum Sport gebracht hat. Er hat sich heuer bislang brutal schwergetan. Ich hätte ihm einen besseren Abschied gewünscht. Aber es war bei mir selbst ähnlich, mir ist nix mehr gelungen, das Jahr darauf wäre genau so schlecht gewesen. Aber so ein schlechtes Jahr wie heuer bei ihm ist für den Nachwuchs unglaublich wichtig: Wer nie Watschen bekommt, weiß nicht, wie weh das tut. Auch verlieren gehört dazu.