| Thomas Götz über die seltsame, blütentreibende Wahl des ORF-Generals.
Am kommenden Dienstag wählen 35 Stiftungsräte den neuen ORF-Chef. Eine Wahl, die seltsame Blüten treibt und weitreichende Folgen für das Unternehmen hat.
Wahl ist, wenn man die Wahl hat. Der Form nach können die 35 Damen und Herren aus 14 Kandidatinnen und Kandidaten wählen. Alle haben Programme vorgelegt und getan, was sonst eigentlich nur bei echten Wahlen üblich ist – Wahlkämpfe geführt. Sie traten in TV-Studios auf und ein privater Konkurrent des ORF veranstaltete gar eine „Elefantenrunde“. Eine Farce angesichts der Tatsache, dass die Entscheidung hinter verschlossenen Türen fällt. So fochten die Gäste denn schlagwortreiche Insidergefechte aus, die manches über das Betriebsklima, wenig aber über die Zukunft des ORF aussagten.
Der Wahlvorgang ist in vielfacher Hinsicht problematisch. Seit Kreiskys Zeiten haben die Kanzler den ORF-Intendanten bestimmt. Da waren starke Persönlichkeiten wie Gert Bacher oder Gerhard Zeiler dabei und schwache wie Otto Oberhammer. Nie aber stand in Zweifel, dass die jeweilige Kanzlerpartei über ihre harmlos „Freundeskreis“genannten Emissäre die Entscheidung für sich beanspruchte. Damit ging stets auch der Vorwurf an den jeweils Ge
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wählten einher, Büttel der Macht zu sein. Viel unglücklicher kann man den Auswahlvorgang nicht aufsetzen.
Das ist auch jetzt nicht anders. Der seit 16 Jahren amtierende Generaldirektor, Alexander Wrabetz, wird nicht müde, seinen aussichtsreichsten Gegner, Roland Weißmann, als Marionette des Bundeskanzlers zu charakterisieren. Dass er das öffentlich tut, deutet darauf hin, dass er das Rennen für verloren hält und zeugt von schlechtem Stil. Unabhängig davon, ob es stimmt, schädigt es den Ruf der Firma, der er vorsteht und seinen eigenen. Muss man nicht davon ausgehen, dass auch sein Verhältnis zur Macht eng war?
Der Bundeskanzler steckt in einem Dilemma. Tut er, was alle vor ihm auch taten, wird ihm die Unterjochung des ORF im Stile Viktor Orbans vorgeworfen werden, tut er es nicht, mangelnde Durchschlagskraft.
Aber warum stellen sich diese Fragen eigentlich? Wieso treten nicht 35 anerkannte Medienkenner zusammen und entscheiden nach ausführlichen Hearings, wer ihrer Ansicht nach am ehesten geeignet scheint, den ORF zu managen? Dann könnte auch der altgediente Alexander Wrabetz nicht schon im Vorfeld zum politischen Sündenfall erklären, sollte ihm eine fünfte Amtszeit verwehrt bleiben. Dann gälte auch Lisa Totzauer nicht von vorneherein als aussichtslose Zählkandidatin und ein Externer könnte ernsthaft um den Posten rittern. lexander Wrabetz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der ORF im Vergleich zu anderen öffentlichrechtlichen Sendern sehr gut dasteht. Nur zieht er die falschen Schlüsse daraus. Die guten Zahlen bedeuten nämlich nicht, dass seine Abwahl nach 16 Jahren ein Sakrileg wäre. Sie bedeuten auch nicht, dass der Wahlvorgang die Besten an die Spitze hebt. Sie beweisen nur, dass die Kolleginnen und Kollegen im ORF auch unter schwierigen Bedingungen erstaunliche Leistungen erbringen.
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