Pilnacek, ein Verräter?
Sektionschef wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses angeklagt.
Christian Pilnacek, über Jahre als Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium einer der mächtigsten Beamten der Republik, wird angeklagt – und zwar nicht umstrittener Anweisungen gegenüber der Korruptionsstaatsanwaltschaft („daschlogts es“) oder aufsehenerregender Chats mit ÖVP-Politikern wegen, sondern weil er das Amtsgeheimnis gebrochen haben soll.
Ausgangspunkt war eine Anzeige von Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen „Presse“-Redakteurin Anna Thalhammer anlässlich eines kritischen Artikels über die Arbeit der Staatsanwälte (die später zurückgelegt wurde).
Pilnacek, der die Reaktion der WKStA überschießend fand und generell mit deren Arbeit unzufrieden war, soll im Dezember 2020 einer Redakteurin des „Kurier“die Anzeige gegen Thalhammer verraten haben. In WhatsApp-Nachrichten auf Pilnaceks Handy sei die Staatsanwaltschaft Innsbruck auf einen Chat gestoßen, in dem der inzwischen suspendierte Sektionschef mit der „Kurier“-Journalistin korrespondiert hatte. Die Staatsanwaltschaft sieht darin den Tatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses erfüllt. Pilnacek bekennt sich dem Wiener Straflandesgericht zufolge, das den Prozess am 3. November führen wird, „nicht schuldig“.
In Journalistenkreisen sorgt die Anklage für Besorgnis: „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon sieht das in Verfassung und EMRK verankerte Redaktionsgeheimnis in Gefahr: „Es werden Namen von Journalistinnen und ihre Recherchen öffentlich gemacht. Was würden wir sagen, würde das in Ungarn oder Polen passieren?“, schreibt Salomon auf Facebook. Auch der Presseclub Concordia sieht den Gesetzgeber gefordert, Zufallsfunde auf Handys dürften nicht zur „Aushebelung des Redaktionsgeheimnisses“führen.
Das Forum Informationsfreiheit, das seit Jahren die Abschaffung des Amtsgeheimnisses fordert, betont auf Anfrage der Kleinen Zeitung, dass der Staat zwar transparenter werden müsse – gleichzeitig müsse aber sichergestellt werden, „dass schützenswerte Informationen tatsächlich geheim bleiben“, so Markus Hametner vom Forum Informationsfreiheit. Dass Informationen aus Ermittlungen vorab verraten würden, sei nicht im Sinne eines transparenten Staates, sondern „Symptom der österreichischen Informationspolitik nach Gutsherrenart“.