Kein überschwerer Hammer
Die Gehaltsforderungen der Metaller liegen auf dem Tisch. Sie sind mit 4,5 Prozent hoch. Bis zu den Herbstferien wird verhandelt. Dann könnte ein Dreier vor dem Komma stehen.
Angekündigt war es ja, dass es in diesem Jahr keine Zurückhaltung bei den Lohn- und Gehaltsforderungen geben wird. Daran hatten die Gewerkschafter im Vorfeld keine Zweifel aufkommen lassen. Insofern ist die nun gestellte Forderung von 4,5 Prozent mehr Geld in der metalltechnischen Industrie keine große Überraschung.
Was jetzt schon als sicher gilt: Die Basar-Faustformel wird heuer nicht greifen. Also, es wird wohl nicht die Hälfte der Forderung übrig bleiben. Die alte Benya-Formel, die mit ihrer Kombination von Produktivitätszuwachs und Inflation immer noch die wichtigste Grundlage für das jährliche Ritual der Herbstlohnrunde bildet, die hat heuer besonderes Gewicht.
In der Waagschale der Argumente liegen der deutliche Produktivitätszuwachs in den Industriebetrieben und die zuletzt in die Höhe geschnellte Inflation. Eine um 3,3 Prozent höhere Produktivität und eine Inflation, die von unter zwei auf zuletzt über drei Prozent hinaufgeschnellt ist, da fällt es selbst aus vorsichtigem Blickwinkel nicht leicht, einen Ab
claudia.haase@kleinezeitung.at
schluss ohne eine Drei vor dem Komma zu erwarten.
Die Industrie führt ins Treffen, dass die Ertragslage der Unternehmen derzeit schlechter aussieht, als es die vollen Auftragsbücher vermuten lassen. Hohe Rohstoffpreise, noch immer Sand im Getriebe der Lieferketten, das sind die Wermutstropfen in einem Aufschwung, dessen Stärke derzeit aber sogar gestandene Ökonomen staunen lässt.
Die Gewerkschaft weiß renommierte Wirtschaftsforscher hinter sich. In den Vorjahren wurden die Produktivitätszuwächse nie zur Gänze abgegolten. Im Corona-Ausnahmejahr 2020 hatte man gar nicht gefeilscht und in beispielloser Eintracht einfach die Inflation ausgeglichen. Nebensatz: Allerdings gab es in Deutschland auch Nulllohnrunden. Dass der Lohnabschluss die Inflation weiter befeuert, gilt als unwahrscheinlich. Da dürften in den nächsten Monaten andere Faktoren wie stark steigende Energiepreise viel massiver durchschlagen – mit wahrscheinlich weitreichenderen Folgen.
Noch vor den Herbstferien wollen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigen. Dass der Abschluss auch im Coronajahr II die übliche Signalwirkung für andere Branchen hat, davon ist der Chef der Gewerkschaft ProGe, Rainer Wimmer, überzeugt. Man werde da eine „Schneepflugfunktion“haben. llerdings ist eben immer noch nicht alles normal. Einige Wirtschaftszweige haben sich bisher überhaupt nicht von der Krise erholt. Oft geht es auch Unternehmen innerhalb einer Branche ganz unterschiedlich gut oder schlecht. Und sollten entgegen allen politischen Beteuerungen doch Lockdowns kommen müssen, weil die Intensivstationen voll ungeimpfter Covid-19-Kranker überlaufen, dann bricht sich angesichts solcher Befürchtungen kein Gewerkschafter einen Zacken aus der Krone, wenn er das Schneepflugbild so herunterbricht, dass man nur dort räumt, wo es auch geschneit hat.
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