Der Hanseat
Olaf Scholz (SPD) kommt Angela Merkel im Stil wohl am nächsten. Kühl, abwartend, die Chancen sondierend. Politisch sind einige Korrekturen zu erwarten. Zwar betont Scholz auf EU-Ebene sein Bekenntnis zum Stabilitätspakt für den Euro. Aber mit sehr weichen Worten. „Eine gemeinsame Währung braucht gemeinsame Regeln. Unsere Regeln haben sich gerade als sehr flexibel erwiesen, sie funktionieren“, sagt Scholz mit Blick auf den Umstand, dass Corona die MaastrichtRegeln aushebelte. Das sind echte Kanzlersätze, die Raum zum Manövrieren und Lockerungsübungen offenlassen. Auch wenn er sich zuletzt mit Blick auf den möglichen Koalitionspartner etwas zurückhaltender äußerte. Fest steht in der Stabilitätspolitik: Es wird einsam um Österreich.
Die Regierung in Wien kennt das. Schon in der Debatte über den Corona-Aufbaufonds fand sich Bundeskanzler Sebastian Kurz im kleinen Kreis der „Sparsamen Vier“wieder. Große Integrationsschritte sind von Scholz aber nicht zu erwarten, dafür Maßnahmen für ein sozialeres Europa, etwa ein europäischer Mindestlohn. Mit Blick auf
Russland hält der Sozialdemokrat an Nord Stream
2 fest, setzt aber auf „mehr Bereitschaft zum
Dialog“. Gleiches gilt für China. Sicherheitspolitisch dürfte eine SPD-geführte
Regierung einen friedenspolitischeren Kurs fahren. Bewaffnete Drohnen lehnt die Partei ab. Aus der atomaren Teilhabe der Nato wollen die Sozialdemokraten aussteigen und die Bundeswehrflieger aus der Atomstaffel der Allianz abziehen. Das klingt radikal – aber selbst die FDP dringt auf einen Abzug der Kernwaffen aus Deutschland.
Fazit: Scholz ist ein Hanseat, plötzliche Korrekturen sind nicht zu erwarten. Aber militärisch dürfte Deutschland noch zurückhaltender werden – selbst ohne eine Beteiligung der Linkspartei an der Regierung.