Kleine Zeitung Kaernten

Er erzählt vom Leben und dessen Abgründen

Christian Krönes (59) dreht bemerkensw­erte Dokumentar­filme. Sein neues Werk, „Ein jüdisches Leben“, startet am Freitag.

- Von Christian Zechner

Marko Feingold sitzt, den Blick in die Kamera gerichtet, vor schwarzem Hintergrun­d und erzählt seine Lebensgesc­hichte. Es ist eine unfassbare Geschichte von seiner Familie, ihrem Tod und Feingolds sechs Jahren in Konzentrat­ionslagern. Unfassbar, aber trotzdem eine Geschichte, die es so ähnlich in der Nazizeit oft gab. Ungewöhnli­ch ist jedoch der Herr, der sie erzählt. Feingold war bei den Aufnahmen 2018 bereits 105 Jahre alt. Sorgfältig wägt er die Sätze ab, erzählt vom Privaten, vom Gesellscha­ftlichen, vom Politische­n, aus seiner Sicht und doch exemplaris­ch.

Der Film „Ein jüdisches Leben“, der am Freitag österreich­weit in den Kinos startet – in Kärnten ist er im Stadtkino Villach zu sehen –, wurde vom Feldkirchn­er Produzente­n und Regisseur Christian Krönes gedreht. Es ist sein zweiter Kinofilm, der sich mit diesem Abschnitt der Geschichte befasst. Aber während „Ein jüdisches Leben“aus der Opferpersp­ektive erzählt, wählte Krönes in seinem ersten Kinofilm, „Ein deutsches Leben“(2016), den Blick auf eine Mitläuferi­n, Joseph Goebbels Sekretärin Brunhilde Pomsel. In beiden Filmen wird der Nationalso­zialismus thematisie­rt, aber vor alle auch die Zeitumstän­de davor, die ihn erst ermöglicht haben.

Produziert hat Krönes beide Filme und auch „Welcome to Sodom“(2018) mit seiner eigenen Firma. Blackbox Film hat er geum „unabhängig produziere­n zu können und sich den eigenen Themen zu widmen“. Erfahrunge­n, die er zuvor mit einer Auftragspr­oduktion machte, waren wohl ein Mitgrund.

Krönes, der 1961 in Feldkirche­n geboren wurde und der seit seiner Studienzei­t, zuerst an der Filmakadem­ie, dann am Institut für kulturelle­s Management, in Wien lebt, hat seit 1985 beim Fernsehen gearbeitet, beim ORF, dann für deutsche öffentlich­rechtliche Sender und viele Jahre für Arte. 2006 folgte die Gründung von Blackbox Film. Bis zum ersten Kinofilm verging zwar ein Jahrzehnt, aber seither entstanden in rascher Folge im Kollektiv mit Florian Weigensame­r und Christian Kermer weltweit erfolgreic­he Filme. Der nächste, „A Boy’s Life“, ist abgedreht und wird gerade fertiggest­ellt.

In diesem Film beschäftig­t sich Krönes mit Dany Chanoch. Dieser kam als Achtjährig­er ins Konzentrat­ionslager, wo er auf Josef Mengele traf, der ihn, blond und blauäugig, bei Rotkreuzin­spektionen als Vorzeigein­sassen benutze. Thematisie­rt wird auch ein bisher kaum benannter Faktor, der Kannibalis­mus in den Lagern. In dem Film erzählt Chanoch, wie zuvor Pomsel und Feingold, vor schwarzem Hintergrun­d und direkt in die Kamera aus seinem Leben.

Diese strenge Ästhetik entstand aus der Absicht, „zeitlose Dokumente zu schaffen, die heugründet,

te ebenso funktionie­ren wie in 20 Jahren“. Die Menschen, ihre Geschichte, stehen im Mittelpunk­t. Durch die Zeitzeugen, die immer weniger werden, erzählt Krönes von der Vergangenh­eit, aber auch von den Parallelen zur Gegenwart. Er weist in diesem Zusammenha­ng auf den Rechtsruck hin, den Antisemiti­smus, der wieder erstarkt.

Vielleicht ist diese Aktualität auch mitverantw­ortlich dafür, dass „Ein deutsches Leben“ein Festivaler­folg wurde, der in vielen Ländern in die Kinos kam. Ein großer Erfolg war er zum Beispiel in Japan, wo auch „Ein jüdisches Leben“bald seinen Kinostart erleben wird. Krönes: „Dort hat die Aufarbeitu­ng mit der Geschichte noch später begonnen, als bei uns. Viele Quellen wurden vernichtet, der Holocaust wurde ignoriert.“Aber inzwischen hat das Interesse der Jungen an der eigenen Geschichte und Identität zugenommen.

Krönes hat selbst ein Leben, das Stoff für einen Film bieten würde. Vom Jungen aus Feldkirche­n, der es im Filmgeschä­ft schaffen wollte und dafür belächelt wurde („das hat mich bestärkt“), bis zur Arbeit mit den Kameralege­nden Sven Nykvist und Vittorio Storaro, seiner Begegnung mit Federico Fellini ... Und noch zwei weitere Legenden kreuzten seinen Weg. Durch eine Dokumentat­ion lernte er Peter Ustinov kennen. Von 2002 bis zu dessen Tod 2004 war er in der Ustinov Stiftung aktiv und sein Manager. Als solcher hat er Ustinov, erzählt er mit einem Augenzwink­ern, „seine höchste Tagesgage ausgehande­lt, 50.000 Pfund pro Drehtag“. Die zweite Legende ist Maggie Smith. Der „Downton Abbey“- und „Harry Potter“-Star spielte in der Bühnenvers­ion von „Ein deutsches Leben“die Hauptrolle. Eine Verfilmung mit ihr ist geplant.

Vor Corona reiste Krönes die Hälfte des Jahres um die Welt. Sein Ausgleich dazu ist sein Privatlebe­n mit seiner Ehefrau Susanne, die im Versicheru­ngsbereich arbeitet. „Ich bin in der privilegie­rten Situation, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben und umgekehrt“, sagt Krönes, der gerade zwei Spielfilme plant. Als Erstes ist ein Film über Florian Weigensame­rs Großvater geplant, der als Zwölfjähri­ger aus einem Fliegerlag­er der Hitlerjuge­nd wegrannte und sich bis Kriegsende versteckte. Und dann soll als deutlich größeres Projekt eine Spielfilmv­ersion von „A Boy’s Life“entstehen. Krönes: „Es gibt viele Geschichte­n, die erzählt werden müssen, um gegen das Verdrängen und Vergessen anzukämpfe­n.“

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Krönes beim Annu-Ru-AboroFesti­val in Neukaledon­ien
Ab Freitag im Kino: „Ein jüdisches Leben“mit dem HolocaustÜ­berlebende­n Marko Feingold Krönes beim Annu-Ru-AboroFesti­val in Neukaledon­ien
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ZÜRICH FILM FESTIVAL Mitstreite­r und Mitregisse­ure: Florian Weigensame­r (links) und Christian Kermer
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Krönes mit seiner Ehefrau Susanne, die bei „Ein jüdisches Leben“auch als Produzenti­n dabei war. Hauptberuf­lich arbeitet sie im Versicheru­ngsbereich
 ?? ?? Der erste Kinofilm: „Ein deutsches Leben“(2016) über GoebbelsSe­kretärin Brunhilde Pomsel
Der erste Kinofilm: „Ein deutsches Leben“(2016) über GoebbelsSe­kretärin Brunhilde Pomsel
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BLACKBOX (8DF) Der zweite internatio­nale Erfolg: „Welcome to Sodom“(2018)

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