Zukunft am seidenen Faden
Herkunftsland: Haiti. Aktueller Aufenthaltsort: Grenzgebiet zwischen Mexiko und den USA. Zukunft: mehr als ungewiss. Diese zwei Buben, die es an einem Seil über den Rio Grande schaffen wollen, teilen ihr Schicksal mit vielen anderen Menschen aus dem dauerkrisengebeutelten Karibikstaat.
Sie müssen zurück, weil sie von den Vereinigten Staaten nicht akzeptiert werden: Im Mai entschied die US-Regierung zwar, jenen Haitianern vorübergehenden Schutzstatus (TPS) zu
gewähren, die in den USA wohnen und gewisse Kriterien erfüllen. Im August verlängerte das US-Heimatschutzministerium die Bestimmungen ob eines verheerenden Erdbebens im Karibikstaat um 18 Monate. Anspruch auf Schutz in Form temporärer Aufenthaltsgenehmigungen haben aber nur Haitianer, die seit spätestens 29. Juli in den USA wohnhaft sind.
Diese zwei Buben haben demnach keine Chance auf permanenten Aufenthalt und müssen zurück – in ein Land, das im Wesentlichen von Zerstörung, ArHunger, grassierender Covid-19-Pandemie, Sicherheitsproblemen, sozialen Unruhen und höchst labiler politischer Lage bestimmt wird. Kurzum: in einen Staat, der über viele Jahre beinahe biblische Plagen erleiden musste.
Zuletzt explodierte die Zahl jener, die den Absprung in die USA wagen wollten: Beinahe 15.000 Migranten sammelten sich bei einer Brücke im texanischen Del Rio an der Grenze zu Mexiko. Dessen Außenminister Marcelo Ebrard betonte, dass sie getäuscht worden seien – man habe ihnen gesagt, die TPS-Regelung bedeute, dass die USA sie aufnehmen würden. Viele versuchten ihr Glück auch, weil der Einwanderungsgegner Donald Trump nicht mehr regiert. Dass sein Nachfolger Joe Biden prinzipiell freundlichere Töne angeschlagen hatte, trug seinen Teil bei.
Nun muss sich Biden Vorwürfe gefallen lassen, wonach auch in seiner Politik „viel Trump“stecke, denn: Mit einer Ausnahme für unbegleitete Minderjährige blieb eine Regelung aus der Trump-Ära aufrecht, mit der die US-Grenzen für Migranten weimut, testgehend dicht sind – unter Verweis auf die Pandemie.
Eine Lösung in der vorhersehbaren Krise scheint nicht in Sicht: Im Disput über die harte Biden-Linie trat jüngst der USSondergesandte Daniel Foote zurück. Biden selbst zeigt sich angewidert und schockiert angesichts berittener US-Grenzschützer, die nun in verrohter Cowboy-Manier Menschen im Niemandsland zusammentrieben. Migration: ein das 21. Jahrhundert und die Welt in Aufruhr tief prägendes Thema.