Im Land der Sortierer
Die Bündnismöglichkeiten nach der Wahl in Deutschland engen sich ein. Rot-Rot-Grün ist raus. Union und SPD umwerben die möglichen Bündnispartner. Armin Laschet scheint trotz eines schwachen Resultats seinem Ziel näher und verkauft Jamaika schon als Opti
Ein Ergebnis schien schon früh festzustehen an diesem ungemein spannenden Wahlabend in Deutschland. Von den zahlreichen Koalitionsmöglichkeiten nach der Bundestagswahl schien eine Option frühzeitig auszuscheiden: Rot-Rot-Grün. Zu schwach war das Ergebnis der Linken.
Das könnte CDU/CSU in die Hände spielen. Die Union pochte auf einen moralischen Sieg, da waren die ersten Hochrechnungen gerade raus. Von einer „Zukunftskoalition“sprach Generalsekretär Paul Ziemiak und nannte als Kernpunkte „Stabilität, Klimaschutz und Innovation“. Von den gewaltigen Umfragen kein Wort. Nur die eigene Position nicht schwächen. Auch aus München kam überraschend Zustimmung. Von einem „Fotofinish“sprach CSUGeneralsekretär Markus Blume und schob dann gleich hinterher: „Wir werden alle Optionen für eine bürgerliche Mehrheit prüfen.“Im Klartext: Jamaika aus Union, Grünen und FDP. Die Wortmeldung aus München überraschte. Denn vor der Wahl hatte das noch anders geklungen. Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, hatte in der Vorwoche noch erklärt: „Wir können nicht zufrieden sein, wenn wir unter 30 Prozent landen.“Nun sagte Dobrindt am Wahlabend: „Die Fehlermeldung kann man auch wann anders machen.“Die CSU gibt klein bei und verkauft ihre Kritik der letzten Tage nun als „Mobilisierungsoffensive“(Dobrindt). Eine interessante Wendung.
So blickten alle auf die potenziellen Juniorpartner. FDP-Generalsekretär Volker Wissing meldete sich früh zu Wort: „Wir bleiben auf Kurs.“Das ließ viele Optionen offen, klang aber nicht als Absage an Jamaika. Die FDP ziert sich, um schon mal den Preis für Verhandlungen nach oben zu treiben.
Jamaika – vor der Wahl mit Blick auf die Umfragen eher als theoretische Möglichkeit betrachtet – ist zurück im Spiel und eine echte Option in
Deutschland. „Wir werden alles daran setzen, eine Regierung unter Führung der Union zu bilden“, kündigte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet an. Der Mann war abgeschrieben, nun ist er zurück im Spiel.
Die SPD schickte im WillyBrandt-Haus in Berlin-Kreuzberg zunächst ihren Generalsekretär Lars Klingbeil vor die Kamera. „Ganz klar: Die SPD hat den Auftrag für eine Regierungsbildung“, sagte Klingbeil. Als SPD-Wahlkampfmanager legte er eine fulminante Kampagne hin. Die SPD legte enorm zu in dieser Wahl. Doch haben die Sozialdemokraten ein Problem. Ihr kommen die potenziellen Partner abhanden. Alles war so schön vorgezeichnet. Zwischen
Rot-Rot-Grün und Ampel mit FDP und Grünen hätten die Sozialdemokraten gut taktieren können. Nun scheidet Rot-RotGrün aus, das schmälert die Verhandlungsposition. Und zwar gewaltig: „Wir wollen, dass Olaf Scholz Kanzler wird“, bekräftigte Klingbeil. Er bekam aber kein klares Signal von den Grünen. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, ein Vertreter des linken Flügels der Partei, sprach von einem „Wunsch nach gesellschaftlichem Wandel“. Das klang sehr nach Ampel. Doch fehlen die gesellschaftlichen Brücken zu den Liberalen. So stellte Robert Habeck klar: „Wenn es eine Ampel wird, ist es nicht Rot-Grün“, sagte der Grünen-Ko-Chef und bemängelte ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt eines solchen Bündnisses: Im Klartext: Das wird ein weiter Weg.
Am Ende werde der „Sondierungsweltmeister“den Kanzler stellen, sagte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen. Das bedeutet: Die Regierungsbildung in Deutschland dürfte sich ziehen. Es wird kräftig verhandelt und geboten in den Gesprächen. Tendenz Jamaika. Sollte es für ein Dreierbündnis nicht reichen, würde es – rechnerisch – auch für eine Große Koalition reichen. Auch bei der Wahl vor vier Jahren war das eine Notfalloption. Deutschland ist jetzt erst mal das Land der Sondierer.