„Eigentlich ist es gar nicht so kompliziert“
Der ehemalige RWE-Chef Rolf Schmitz spricht über fehlende erneuerbare Energien, den Stellenwert von Fotovoltaik und sich ändernde Verhaltensweisen.
Sie haben von Landeshauptmann Peter Kaiser das Große Goldene Ehrenzeichen für Ihre Verdienste rund um die Kelag verliehen bekommen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie? ROLF SCHMITZ: Sie hat eine riesige Bedeutung für mich. Wir sind als RWE mit einer Minderheitsbeteiligung eingestiegen, und glauben, das Beste für das Unternehmen erreicht zu haben. Ich bin ein großer Fan von Minderheitsbeteiligungen. Es ist immer besser, zu überzeugen, als zu überstimmen.
Sie waren von 2016 bis April 2021 Vorstandsvorsitzender der RWE. Eine Zeit lang gab es den Vorwurf, die RWE hätte den Ausstieg aus der Kohle und den Einstieg in die Erneuerbaren verschlafen.
Ja, aber ich glaube, das haben wir widerlegt. Allerdings vielleicht ein bisschen zu spät. Die „alte“RWE hatte ja auch schon in den Bereich erneuerbare Energie investiert. Und wir haben den Kohlekompromiss machen können. Dass gewünscht wird, dass der Ausstieg schneller als mit 2038 kommt, kann ich verstehen, glaube aber auch, dass sich das ohnehin durch die Marktwirtschaft erledigt. Der Einsatz von Kohle ist aber auch dadurch bestimmt, wie viel Erneuerbare im Markt sind. Wenn kein Ausbau der Erneuerbaren erfolgt, dann funktioniert das nicht. Da kann man noch so viel aufschreiben, was man alles abschalten will. Aber irgendwoher müssen die Kilowattstunden ja kommen.
Das Problem vielfach: Windräder ja, aber man darf sie nicht sehen, Fotovoltaik ja, aber bitte nicht auf Freiflächen.
Man muss immer wissen, was man will. Ich habe den Eindruck, dass in den vergangenen 10 bis 15 Jahren sehr viel getan wurde, um die Individualrechte zu stärken. Ich glaube, das war keine gute Entwicklung. Gar nicht verstehen kann ich die Ablehnung bei Fotovoltaik. Man sieht sie nicht, hört sie nicht, riecht sie nicht.
Das heißt, momentan fehlen uns die erneuerbaren Energien für die Energiewende?
Ja, es ist viel zu wenig. Wir werden im Wärmebereich viel mit Wärmepumpen machen müssen, Erdgas und Öl durch Wasserstoff ersetzen. Die Grundlage von grünem Wasserstoff ist grüner Strom. Die Elektromobilität wird für den Individualverkehr die vorherrschende Weiterentwicklung sein.
E-Mobilität ist die Zukunft? Solange ich Strom direkt nutzen kann, mache ich es elektrisch.
Es gibt auch schon Elektroflugzeuge für kurze Strecken. Aber die Frage ist ja, ob man überhaupt noch so viel fliegen sollte. Wir haben in der Pandemie gelernt, dass viele Reisen überflüssig sind. Wir hatten im Konzern normalweise 350 Reisen im Monat, und am Schluss noch drei. Es können wieder 30 werden, aber nie mehr 350. Alleine vom Zeitaufwand her. Die Flexibilität ist sehr viel höher geworden. Die Menschen sind gerne ein oder zwei Tage im Büro, streben aber nicht mehr danach, immer im Büro zu sein und jeden Tag in überfüllten Bussen zu sitzen oder im Stau zu stehen. Wir haben gelernt, wie schnell eine Entwicklung gehen kann, wenn man es wirklich will. Das ist auch meine Hoffnung in Bezug auf erneuerbare Energien.
Für die Stromerzeugung braucht es auch eine entsprechende Netzabdeckung. Ist diese aus Ihrer Sicht gegeben?
Sie ist gut, muss aber definitiv noch weiter ausgebaut werden, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen.
In Österreich wurde gerade erst das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) beschlossen. Wie ist es zu beurteilen?
Es ist eine gute Vorlage. Ich würde mich freuen, wenn Kärnten bereit wäre, hier beizutragen und Flächen vor allem für Fotovoltaik bereitzustellen. PV ist der Bevölkerung einfacher zu vermitteln als Windkraft. Und wenn man auch dagegen ist, dann weiß ich nicht, wofür man dann noch sein sollte. Die Anzeichen, was Naturkatastrophen betrifft, mehren sich. Die Änderungen, was Luft- und Meeresströmungen betrifft, kommen schneller als gedacht. Und wenn man etwas erkennt, sollte man es auch ändern.
Wie realistisch ist es, dass wir die Energiewende bis 2030 schaffen?