Sterbebegleitung
Interview „Wir wollen die Angst vor dem Sterben nehmen“, 20. 9.
Den Interviews zu diesem Thema kann ich durch meine ganz persönlichen Lebens- und Sterbenserfahrungen nicht allzu viel hinzufügen. In einer Welt, in der es darum geht, alles zu kontrollieren und vorher zu bestimmen, hat das Thema Sterben eine ganz schlechte Prognose bekommen. Wenn man nur wüsste, wie und wann man stirbt! Sterbebegleitung als eine ganz besondere Art der Lebensbegleitung zu sehen, ist ein Zugang, der andere Antworten geben kann. Dem, der gehen kann, aber auch dem, der noch bleibt. Im Gegensatz zu jeder Form der „Sterbehilfe“geht es bei der Sterbebegleitung niemals um ein Eingreifen in den Sterbeprozess, sondern um einen seelischen Beistand während der verbleibenden Lebenszeit. Wie schön kann das Erleben eines Sonnenuntergangs, einer Berührung, eines Musikstücks in dieser Phase des Lebens sein, wie heilsam jedes gesprochene, aber auch unausgesprochene Wort. Es geht letztendlich darum, sich an der Hand eines vertrauten Menschen von dieser Welt verabschieden zu können. In vollstem Vertrauen, dass es gut, vor allem endlich genug gut ist.
An dieser Stelle kann ich dann doch etwas hinzufügen. Als Hebamme hat mich das Begleiten in das Sterben ganz nah an meine Geburtserfahrungen geführt. Man muss beides, die Geburt und das Sterben, geduldig aushalten und erwarten können, ohne großartig aktiv einzugreifen. In der Vollendung ist beides ein Akt der Schöpfung. Die Angst, sich in einem Krankenhaus oder Pflegeheim allein auf den letzten Weg machen zu müssen, kann durch meine persönlichen Erfahrungen entkräftet werden. Hier gilt es für die Zukunft, den nahen Angehörigen, der professionellen Sterbebegleitung, noch mehr Raum, Personal und Achtsamkeit zu schenken. Viele Einrichtungen stehen einer Sterbebegleitung durch nahe Angehörige bereits offen gegenüber. An der Hand eines vertrauten Menschen zu sterben – darum geht es. So kann die Aufgabe der Sterbebegleitung zu einer Bereicherung für den eigenen Lebensweg erlebt werden. Persönliche Spurensuche, Aussöhnung mit anderen und mit sich selbst, ein besseres Begreifen und Meistern der persönlichen Lebensgeschichte und eine Neuorientierung in Beziehungen können der Lohn sein.
Helga Reichmann-Gitschthaler,
Maria Elend