Unambitioniert, aber gerecht
Die türkis-grüne Koalition legt eine „ökosoziale Steuerreform“vor. Beim zentralen CO2-Preis hat sie der Mut verlassen, aber es bleibt ein breites Entlastungspaket für fast alle.
Das klimaschädliche CO2 bekommt einen Preis: Ab Juli 2022 kassiert der Staat bei fossilem Treib- und Brennstoff 30 Euro pro Tonne zusätzlich, das macht Benzin um acht, Diesel um neun, Heizöl um zehn Cent pro Liter teurer, Gas um sieben Cent pro Kubikmeter. Der Preis steigt bis 2025 schrittweise auf 55 Euro pro Tonne.
Die türkis-grüne Koalition orientiert sich hier exakt am CO2-Preiskorridor in Deutschland – der selbst dort als zu niedrig diskutiert und wohl bald nachgezogen wird. Von Musterschülern wie Schweden (115 Euro/Tonne) und Empfehlungen von Experten, wie man den Ausstieg aus dem TreibhausgasZeitalter am besten schafft, ist man weit entfernt.
Das ist in seiner radikalen Unambitioniertheit enttäuschend: Die türkis-grüne Koalition bleibt hier weit hinter ihren Möglichkeiten und den Notwendigkeiten der Klimakrise zurück und lässt die Chance liegen, ein erfolgreiches mitteleuropäisches Modell für die CO2Bepreisung vorzulegen. Umso mehr, als sie mit dem „Klimabonus“– einer Netto-Auszahlung an alle Einwohner – ohnehin ein
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taugliches Korrektiv gefunden hat, Härten durch den höheren Benzinpreis auszugleichen. Eine „Gelbwesten“-Bewegung wäre auch bei einem ehrlicheren Preis unwahrscheinlich. Die Regierung hat auf den letzten Metern – im Angesicht stark steigender Gaspreise – der Mut verlassen.
So ärgerlich das ist, so sehr kann sich die Steuerreform in ihrer Breite sehen lassen: Die Senkung der mittleren Einkommensteuerstufen und die überraschend kräftige Erhöhung des Kinderbonus kommen vor allem mittelständischen Leistungsträgern und ihren Familien zugute; von niedrigeren Krankenversicherungsbeiträgen und „Klimabonus“profitieren auch sozial Schwache.
Unternehmer können sich dagegen über Investitionsfreibeträge und andere Nachlässe, etwa bei der Mitarbeiterbeteiligung, freuen. Die Senkung der
Körperschaftssteuer, die vor allem Großbetrieben und deren Eigentümern zugutekommt, wurde statt auf 21 nur auf 23 Prozent gesenkt – ob das tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit stärkt, sollte die Republik genau evaluieren – sinnvoller wären eventuell weitere Lohnnebenkosten-Senkungen gewesen. in Wermutstropfen: Auch diese „größte Entlastung aller Zeiten“werden sich die Steuerzahler durch kalte Progression und hohe Inflation bald wieder selbst finanziert haben. Von eisernen Einsparungen beim Staat oder der seit Jahren avisierten Abschaffung der Progression ist weiter nichts zu sehen – zu groß ist die Versuchung, alle paar Jahre ein Entlastungspaket zu verkünden.
Zu hoffen bleibt, dass die Ökobegleitmaßnahmen in der Reform – etwa Förderungen für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizung – unterm Strich den Steuerungseffekt bringen, den die zögerliche CO2-Bepreisung nicht bewirken wird. Denn wenn dieses Beispiel Schule macht und das Klima vollends kippt, wird unser Wohlstand viel, viel stärker leiden als unter ein paar Cent teurerem Benzin.
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