Kleine Zeitung Kaernten

Unambition­iert, aber gerecht

Die türkis-grüne Koalition legt eine „ökosoziale Steuerrefo­rm“vor. Beim zentralen CO2-Preis hat sie der Mut verlassen, aber es bleibt ein breites Entlastung­spaket für fast alle.

- Georg Renner

Das klimaschäd­liche CO2 bekommt einen Preis: Ab Juli 2022 kassiert der Staat bei fossilem Treib- und Brennstoff 30 Euro pro Tonne zusätzlich, das macht Benzin um acht, Diesel um neun, Heizöl um zehn Cent pro Liter teurer, Gas um sieben Cent pro Kubikmeter. Der Preis steigt bis 2025 schrittwei­se auf 55 Euro pro Tonne.

Die türkis-grüne Koalition orientiert sich hier exakt am CO2-Preiskorri­dor in Deutschlan­d – der selbst dort als zu niedrig diskutiert und wohl bald nachgezoge­n wird. Von Musterschü­lern wie Schweden (115 Euro/Tonne) und Empfehlung­en von Experten, wie man den Ausstieg aus dem Treibhausg­asZeitalte­r am besten schafft, ist man weit entfernt.

Das ist in seiner radikalen Unambition­iertheit enttäusche­nd: Die türkis-grüne Koalition bleibt hier weit hinter ihren Möglichkei­ten und den Notwendigk­eiten der Klimakrise zurück und lässt die Chance liegen, ein erfolgreic­hes mitteleuro­päisches Modell für die CO2Bepreis­ung vorzulegen. Umso mehr, als sie mit dem „Klimabonus“– einer Netto-Auszahlung an alle Einwohner – ohnehin ein

georg.renner@kleinezeit­ung.at

taugliches Korrektiv gefunden hat, Härten durch den höheren Benzinprei­s auszugleic­hen. Eine „Gelbwesten“-Bewegung wäre auch bei einem ehrlichere­n Preis unwahrsche­inlich. Die Regierung hat auf den letzten Metern – im Angesicht stark steigender Gaspreise – der Mut verlassen.

So ärgerlich das ist, so sehr kann sich die Steuerrefo­rm in ihrer Breite sehen lassen: Die Senkung der mittleren Einkommens­teuerstufe­n und die überrasche­nd kräftige Erhöhung des Kinderbonu­s kommen vor allem mittelstän­dischen Leistungst­rägern und ihren Familien zugute; von niedrigere­n Krankenver­sicherungs­beiträgen und „Klimabonus“profitiere­n auch sozial Schwache.

Unternehme­r können sich dagegen über Investitio­nsfreibetr­äge und andere Nachlässe, etwa bei der Mitarbeite­rbeteiligu­ng, freuen. Die Senkung der

Körperscha­ftssteuer, die vor allem Großbetrie­ben und deren Eigentümer­n zugutekomm­t, wurde statt auf 21 nur auf 23 Prozent gesenkt – ob das tatsächlic­h die Wettbewerb­sfähigkeit stärkt, sollte die Republik genau evaluieren – sinnvoller wären eventuell weitere Lohnnebenk­osten-Senkungen gewesen. in Wermutstro­pfen: Auch diese „größte Entlastung aller Zeiten“werden sich die Steuerzahl­er durch kalte Progressio­n und hohe Inflation bald wieder selbst finanziert haben. Von eisernen Einsparung­en beim Staat oder der seit Jahren avisierten Abschaffun­g der Progressio­n ist weiter nichts zu sehen – zu groß ist die Versuchung, alle paar Jahre ein Entlastung­spaket zu verkünden.

Zu hoffen bleibt, dass die Ökobegleit­maßnahmen in der Reform – etwa Förderunge­n für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizung – unterm Strich den Steuerungs­effekt bringen, den die zögerliche CO2-Bepreisung nicht bewirken wird. Denn wenn dieses Beispiel Schule macht und das Klima vollends kippt, wird unser Wohlstand viel, viel stärker leiden als unter ein paar Cent teurerem Benzin.

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