Der Hardliner als Chef-Alternative
PORTRÄT. Innenminister Karl Nehammer gilt als der aussichtsreichste Kandidat für Parteispitze und Kanzleramt. Der Parteisoldat mit harter Linie in Sachen Migration soll’s richten.
Im Innenministerium in Wien herrscht Aufregung. Nachdem bekannt wurde, dass Sebastian Kurz der Politik den Rücken kehrt, wird in den Gängen spekuliert, ob ihm „der Chef“nachfolgen könnte. Tatsächlich gilt Innenminister Karl Nehammer als aussichtsreichster Kandidat, um neben dem Posten des ÖVP-Chefs auch jenen des Kanzlers zu übernehmen. Als Vertreter des mächtigen niederösterreichischen Parteiflügels wurde der 49-Jährige immer wieder als logische Alternative gehandelt. Auch deshalb, weil die Liste möglicher Kandidaten überschaubar ist.
In der Partei genießt der Innenminister, der unter TürkisBlau ÖVP-Generalsekretär war, großes Ansehen, das er sich über Jahre mit Parteigehorsam und Disziplin erarbeitet hat. In der Öffentlichkeit fiel er vor allem beim Thema Migration auf – mit einer harten Linie. Wie Kurz sprach er sich gegen illegale Migration und die Aufnahtigkeiten von Flüchtlingen aus dem Skandallager Moria aus. Am Westbalkan knüpfte der gebürtige Wiener zuletzt Kontakte mit von Migration betroffenen Ländern, um Abschiebungen von dort zu forcieren. Auch in Sachen Corona trat Nehammer als „Law and Order“-Vertreter auf. Als Teil des „virologischen Quartetts“erhielt er den Beinamen „Flex“, weil er auf Einhaltung und Kontrolle der Ausgangsbeschränkungen pochte. Zuletzt betonte er aber den Fokus der Polizei auf Dialog. Die jüngsten Coronademos setzten Z dem Minister jedoch zu. uletzt waren staatsmännischere Töne von ihm zu hören. Erst am Mittwochabend versammelte er 400 Gemeindevertreter digital im Ministerium, um über Corona-Angriffe zu beraten. Zuletzt blickten auch Medienvertreter überrascht von ihren Blöcken auf, als Nehammer sich neben „allen Österreicherinnen und Österreichern“auch bei „allen
Menschen, die hier leben“, für das Einhalten der Maßnahmen bedankte. Ein Zusatz, den man von ÖVP-Politikern äußerst A selten hört. uch Nehammer ist mit Drohungen konfrontiert und eines von fünf Regierungsmitgliedern, die Personenschutz erhalten. Er ist verheiratet mit Katharina Nehammer, der früheren Pressesprecherin von Wolfgang Sobotka, als dieser Innenminister war. Das Paar hat zwei Kinder, auch sie wurden bedroht. In seinem Ministerium gilt der Politiker als disziplinierter und fordernder, aber fairer Chef, der großen Wert auf Vorbereitung legt. Er lese sich in alles ein und hole sich Expertenrat, wenn er etwas nicht versteht.
Nach der Matura entschied sich Nehammer nicht gleich für die Politik, sondern für das Bundesheer. Nachdem er sich ein Jahr verpflichtete, blieb er und bildete Informationsoffiziere aus. Nach kleineren ÖVP-Täme
im Bund wechselte er in jenes Bundesland, in dem er sich „politisierte“– Niederösterreich. Als Chef der Parteiakademie baute er sich dort umfassende Hausmacht auf. Der gebürtige Wiener absolvierte auch einen Universitätslehrgang mit dem Titel „Politische Kommunikation“. Seine Abschlussarbeit schrieb er beim D Politologen Peter Filzmaier. och 2016 bekam der Aufstieg des Parteisoldaten einen Dämpfer. Andreas Khol floppte als ÖVP-Kandidat bei der Bundespräsidentschaftswahl, den Wahlkampf managte Nehammer. Ein Rückschlag, der August Wöginger nicht beeindruckte. Er machte Nehammer kurz darauf zu seinem Generalsekretär im ÖAAB. Später wurde Nehammer selbst Obmann. 2020 zog der spätere Bundesgeneralsekretär unter Türkis-Grün ins Innenministerium ein. Dort fragen sich seit gestern viele, ob er nun wieder auszieht.