Kleine Zeitung Kaernten

Auch ganz oben gibt es Licht und Schatten

Auf internatio­naler Bühne rückte Sebastian Kurz das kleine Österreich immer wieder ins Scheinwerf­erlicht. Anfangs überwog staunender Beifall, dann kamen die Irritation­en.

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel

Schon als Außenminis­ter muss Sebastian Kurz schlagarti­g aufgefalle­n sein. Mit 27 ins Ministeram­t, das soll einmal jemand nachmachen. Der Altersschn­itt auf dem üblichen „Family Photo“bei den Ratstreffe­n dürfte rapide gesunken sein, so wie später auf den EU-Gipfeln der Staats- und Regierungs­chefs. Im Dezember 2017 wurde die Koalitions­regierung von ÖVP und FPÖ angelobt, am 1. Juli 2018 übernahm Österreich die EU-Ratspräsid­entschaft.

Längst schon war Europa zu dieser Zeit an einem Punkt angekommen, an dem die Beteiligun­g einer Rechtspart­ei wie der FPÖ an einer Regierung kein Nasenrümpf­en mehr auslöste. Die EU hatte nach gerade einmal überstande­ner Finanzkris­e noch schwer an der Migrations­krise zu arbeiten, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte der Union ungefragt den Leitspruch „Wir schaffen das“umgehängt. Kurz kam und zeigte klare Kante. Österreich­s Präsidents­chaft war geprägt vom „Schutz der Außengrenz­en“, vom Frontex-Ausbau, vom angebliche­n Schließen der Fluchtrout­en und von der Idee, Anlandezen­tren in Drittstaat­en zu schaffen.

Hatte man davor einen rigiden Asylkurs fast nur von rechts der Mitte vernommen und damit auf gewisse Weise aus dem „Schmuddele­ck“der Diplomatie, machte der junge österreich­ische Kanzler die neuen Formeln glatter, bekömmlich­er, salonfähig­er. Er kann es sich erlauben, selbst Rettungsak­tionen im Mittelmeer als „NGOWahnsin­n“zu bezeichnen. Kurz avanciert zum Shootingst­ar der Konservati­ven, er repräsenti­erte die neue, wache Generation, die nicht mehr in den alten Denkmuster­n gefangen sein will und doch auf klassische populistis­che Muster setzt. Das gefällt unter anderem Donald Trump, der ihn ins Weiße Haus einlud. In deutschen Medien, allen voran der „Bild“, wird Kurz als Held gefeiert, im EVPWahlkam­pf zur EU-Wahl holt ihn EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber an seine Seite. Kurz glänzt, Angela Merkel scheint daneben im Schatten zu stehen.

Der harte Kurs findet innerhalb der EU viel Gefallen, zumal sich Österreich als „Brückenbau­er“positionie­rt und damit vor allem die Nachbarn im Osten, in Gestalt der Visegrád-Länder, im Dialog hält.

Kurz gelingt es immer wieder, innerhalb der EU-Länder neue Zweckgemei­nschaften zu schmieden; das verschafft ihm Anerkennun­g, kann aber auch zum Bumerang werden. Deutlich sichtbar wird das im Juli 2020, als die EU fast schon verzweifel­t inmitten der ersten Pandemieph­ase um das langjährig­e Budget und den Wiederaufb­auplan kämpft. Kurz ist zusammen mit dem Niederländ­er Mark Rutte treibende Kraft der „Frugalen Vier“und torpediert

dabei die großen Pläne von Deutschlan­d und Frankreich. Nettozahle­r Österreich will möglichst viel für sich selbst herausschl­agen und wendet sich gegen eine „Schuldenun­ion“, das heißt aber, dass die Hilfe für notleidend­e Länder wie Italien und Spanien geringer ausfällt als geplant. Als Kurz beim Budgetgipf­el den Saal für ein Telefonat verlässt, schimpft Emanuel Macron: „Seht ihr? Es ist ihm egal. Er hört den anderen nicht zu, hat eine schlechte Haltung. Er kümmert sich um seine Presse und basta.“Österreich wird als Blockierer wahrgenomm­en.

Das gehört durchaus zum politische­n Geschäft. Doch immer wieder sorgen Entscheidu­ngen für Irritation­en, etwa die Abkehr vom UN-Migrations­pakt und schließlic­h die verstörend­en Vorwürfe rund um die EUImpfstof­fbeschaffu­ng. Kurz hatte bereits für Verwunderu­ng gesorgt, als er im Alleingang Sputnik kaufen wollte (dazu sollte es nie kommen), als er aber gemeinsam mit fünf osteuropäi­schen Staaten einen „geheimen Impfstoffb­asar“und ungleiche Verteilung der Impfdosen anprangert, die bloß dem ungeschick­ten Verhandeln der eigenen Leute zuzuschrei­ben war, ist man in Brüssel überaus empört. Der junge Kanzler, inzwischen zum zweiten Mal im Amt, ist immer noch für Aufmacher in „Politico“oder der „Financial Times“gut – aber der Wind hat sich gedreht.

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EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen und Sebastian Kurz hatten
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APA viel Kontakt, waren aber nicht immer einer Meinung

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