Kleine Zeitung Kaernten

Wie man die Heimat kritisch erwandert

„Näher rücken“heißt das neue Buch von Gerhard Pilgram: ein melancholi­sch-romantisch­er Wanderführ­er entlang der Sattnitz.

- Von Andreas Kanatschni­g

Man gelangt nach Spitzach/Sˇpice, das längst vom Wald verschluck­t wurde. (...) Kälber glotzen, Wolken ziehen, der Hund an der Leine nicht minder.“Gerhard Pilgram war wieder unterwegs, dieses Mal am Sattnitz-Gebirgszug. Entstanden ist dabei das Buch „Näher rücken. Wandern und Einkehren auf der Sattnitz/ Gure“, das gerade eben im Drava-Verlag erschienen ist.

Es ist ein melancholi­scher Wanderführ­er geworden, der aber auch zutiefst romantisch ist, mit vielen geschichtl­ichen Fakten aufwartet und immer wieder auch einen morbiden und sarkastisc­hen Ton anschlägt, wenn Pilgram die Zersiedelu­ng der Gegend und die vielen Neubauten anspricht. Drei Bedeutunge­n hat für den

Autor das „Näher rücken“: „Auf der einen Seite geht es um den Bergrücken, der nahe an der Haustüre liegt. Dann ist es auch der Versuch, für mich als unter Anführungs­zeichen Deutsch-Kärntner, sich mit der slowenisch­en Kultur auseinande­rzusetzen. Der dritte Aspekt ist die Sehnsucht, die ich in diesen Lockdowns gehabt habe, wo ich ja viel alleine unterwegs war.“Pilgram wandert an „akkuraten Brennholzs­tapeln“vorbei, sieht „Stuben wie im Heimatroma­n“und sucht viele Gasthöfe auf. Seine bissigen Kommentare zur Baukultur („herunterge­kommen“, „hässlich“) mögen nicht immer gefallen und sind manchmal auch unangebrac­ht, sie machen den Wanderführ­er aber dadurch zum kritischen Wanderführ­er: Wer so wandert, schärft den Blick nicht nur für die Umgebung, auch für die Geschichte. So erfahren wir, dass in Neusaß/Vesava eine gewisse Maria Jelin vor gut 300 Jahren „als Hexe hingericht­et wurde“– sie sei unter anderem mithilfe einer Zaubersalb­e mehrmals durch die Luft geflogen. Auf der Hollenburg wurde ihr der Prozess gemacht, der letzte fand dort 1736 statt. Pilgram setzt die Geschichte so in die Gegenwart fort: „Auch die heutigen Nachkommen besitzen Zauberkräf­te. Sie beherrsche­n die Schwarze Kunst des millimeter­genauen Schlichten­s von Brennholz und wissen aus einem einzigen Rebstock jährlich zwölf Flaschen Wein zu keltern.“Es ist manchmal gar wunderlich, was Pilgram alles sieht, aber wer so dem Sattnitzrü­cken näher rückt – und das kann man auch zu dieser Jahreszeit tun – wird seine Heimat neu entdecken. www.unikum.ac.at

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Pilgram hat ein neues Buch geschriebe­n

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