Kanzler für zwei Monate
Alexander Schallenberg ist nicht in der ÖVP geerdet. Das wird ihm nun zum Verhängnis.
Es ist eine besonders bittere Pointe der in letzter Zeit an Pointen nicht armen österreichischen Innenpolitik, dass Kanzler Alexander Schallenberg gerade jetzt, da er nicht mehr so offensichtlich mit dem Amt fremdelt, schon wieder seinen Ranzen schnüren und den Ballhausplatz verlassen muss.
Aber wie gewonnen, so zerronnen. Wobei man der Fairness halber dazusagen muss, dass der 52-jährige Jurist und Diplomat sich nicht um den Job gerissen hat. Als sein Vorgänger Sebastian Kurz Anfang Oktober über eine Affäre um frisierte Umfragen stolperte, wurde Schallenberg gefragt, ob er interimistisch übernehmen könne, bis Kurz, von den Korruptionsvorwürfen reingewaschen, an die Regierungsspitze zurückkehre.
Noblesse oblige. Ruft dich dein Land, musst du folgen. Dieses dienende josephinische Amtsverständnis hat der in Bern geborene Spross eines alten Grafengeschlechtes von klein auf mitbekommen. Schon sein Vater war hochrangiger Diplomat. Und so sagte Schallenberg, ohne lange zu zögern, zu.
Doch schon seine Antrittsrede misslang gehörig. Davon in der öffentlichen Wahrnehmung hängen blieb seine an sich selbstverständliche Loyalitätsbekundung gegenüber dem auf den Posten des Klubchefs gewechselten Kurz. Das hässliche Wort vom Marionettenkanzler machte fortan die Runde.
Wer Schallenberg etwas näher kennt, kann erahnen, wie sehr der Vorwurf den weltläufigen Freigeist getroffen haben muss. Denn so vielen Herrinnen und Herren im Außenamt er erst als Pressesprecher, dann als Stratege im Lauf der Jahre auch loyal gedient haben mag, was ihn zugleich stets auszeichnete, war doch eine gewisse Nonchalance und geistige Unabhängigkeit, wie man sie häufig bei Aristokraten findet.
Und dennoch: Mit Sebastian Kurz war das von Beginn an irgendwie anders. Nicht wenige waren überrascht, mit welcher Entschiedenheit der als liberal geltende Schallenberg den harten Kurs des konservativen Politikstars in der Migrationsfrage und dessen Souveränismus der milden Sorte in Europa verteidigte und schließlich selbst dem türkisen Orden beitrat.
Dass Ordensmeister Kurz nun von der Bühne abgeht, trifft Schallenberg schwer. Er hat keine Hausmacht in der ÖVP. Das hat sein politisches Schicksal besiegelt.