Am achten Tag entsteht das Metaversum
Tech-Giganten sehen in der virtuellen Welt des Metaversums die Zukunft: Ein indisches Paar plant dort seine Hochzeit und ist damit Vorbote einer Zeit des „Alles ist möglich“.
Das Metaversum der Zukunft ist noch nicht konzipiert. Doch stellen Sie es sich so vor: Mittels Ihres Avatars arbeiten Sie in einem virtuellen Büro, spielen in Ihrer Freizeit das Fantasy-Rollenspiel „World of Warcraft“, das selbst geschmiedete Schwert schenken Sie über Facebook einem Freund zum Geburtstag. Sie besitzen virtuelles Land, haben sich darauf ein Haus gebaut, treffen sich abends in einer Bar mit Freunden. In der realen Welt sind sie nur noch selten, wenn sie etwas essen oder sich ein wenig die Füße am Heimtrainer vertreten. Das ist die Zukunft, die Gegenwart ist davon nicht weit entfernt.
Ein indisches Paar kündigte an, am 6. Februar im Metaversum zu heiraten: Dinesh Kshatryan und Janaganandhini Ramaswamy wollen im TardiVerse-Metaversum heiraten, eine kürzlich geschaffene virtuelle Realität, die auf ihrem YouTube-Kanal Shopping-Erlebnisse, Strandurlaub und Hochzeiten ankündigt. Ein anderes Beispiel aus dem Metaversum ist der Kauf von digitalem Land durch die kanadische Firma „Tokens.com“: Es handelt sich dabei um ein mittels BlockchainTechnologie generiertes Land.
Das Metaversum ist noch ein „work in progress“: „Facebook hat zwar bereits etwas auf die Beine gestellt, das einem Metaversum nahekommt, aber nur für Nordamerika, Teile davon sind weltweit veröffentlicht worden. Es gibt viele Anbieter und es gibt einzelne Ansätze, aber noch nichts Weltumspannendes“, sagt Mathias Lux, assoziierter Professor vom Institut für Informationstechnologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Mark Zuckerberg, Chef des Tech-Giganten Facebook, teilte im Oktober 2021 mit, dass seine Firma einen neuen Namen hat: Meta. Damit ist klar, wohin die Reise geht.
Das Metaversum ist nicht nur eine virtuelle Welt, eine virtuelle Realität, eine digitale Ökonomie, ein Spiel wie der EgoShooter Fortnite, ein App-Store oder ein neues Facebook – wie der Tech-Unternehmer Matthew Ball und Essayist schreibt: „In seiner vollen Version wird das Metaversum das Eintrittstor für fast alle digitalen Erlebnisse sein (. . .) und die nächste große Arbeitsplattform.“
3-D-Brillen sind dabei die Eintrittskarte, doch noch nicht alle Technologien existieren: „Das Besitztum von Gütern ist etwas, was noch nicht gelöst ist. Die Technologie existiert, aber die Verknüpfung von zum Beispiel Facebook mit ,World of Warcraft‘ noch nicht. Wenn man das kombinieren will, braucht man ein digitales und sicheres Besitztumsystem. Das geht über Blockchain-Technologien, die nachvollziehbar machen, wem welches digitale Gut gehört“, sagt Lux.
Die Frage des Besitzes oder die Durchlässigkeit zwischen Systemen wie Social Media, Spielund Arbeitswelten muss man erst lösen. Die Frage ist auch: Wird es einen oder viele Anbieter geben? In „Ready Player One“– dem Roman von Ernest Cline (2011) und im darauf basierenden Film von Steven Spielberg (2018) – wird eine virtuelle Welt namens Oasis beschrieben, die von einer einzelnen Firma betrieben wird. „Eine performante immersive 3-DWelt, in die man gut eintauchen kann, ist extrem schwer zu verteilen“, erklärt Lux, „das dezentral zu machen, ohne dass man
Server dafür anmietet, ist schwer. Wenn aber Facebook die Server des Metaverse zahlt, werden sie bei allem mitschneiden wollen. Das Geschäftsmodell im Metaversum ist mir noch nicht klar“.
Die reale Welt werde laut Lux ihre Relevanz aber nicht verlieren: „Es wird auch in Zukunft nicht alles in die virtuelle Welt verlagert, auch das Internet, wie wir es jetzt kennen, wird man nicht über Nacht abschaffen.“Wenn aber zusehens mehr Menschen viel Zeit in einem Metaversum verbringen, hat das Auswirkungen auf die Realität.
„Die kalifornische Ideologie der Tech-Giganten, die die Menschheit verbessern wollte, ist nicht eingetreten. Es gibt Hate Speech und Cyber-Bulling“, sagt Matthias Wieser, stellvertretender Vorstand des Medien-und Komm unikat ions wissen schafts institut der Uni Klagenfurt. Wieser spricht in diesem Zusammenhang aber auch an, dass diese Firmen das Kapital haben, solche Veränderungen herbeizuführen: „Das ist dann auch eine Art self fullfilling prophecy.“
Letzten Endes gehe es um Geld und Firmen, die von den Daten leben, die wir im Internet hinterlassen. Ein Avatar im Metaversum kann nichts mehr geheimhalten – es wäre ein Leben schier grenzenloser Möglichkeiten bei gleichzeitig völliger Kontrolle. In Neal Stephensons Science-Fiction-Roman „Snow Crash“(1992) wird der Begriff Metaversum wie auch der des Avatars bekannt gemacht: In der Geschichte ist das Metaversum eine scheinbar bessere Welt, in die sich die Protagonisten flüchten. Es wird sich zeigen, welche Welt die bessere ist: die reale oder die fiktive.
Facebook hat zwar bereits etwas auf die Beine gestellt, das einem Metaversum nahekommt, aber nur für Nordamerika.
Mathias Lux, Informatiker