Kleine Zeitung Kaernten

Am achten Tag entsteht das Metaversum

Tech-Giganten sehen in der virtuellen Welt des Metaversum­s die Zukunft: Ein indisches Paar plant dort seine Hochzeit und ist damit Vorbote einer Zeit des „Alles ist möglich“.

- Von Andreas Kanatschni­g HELGE BAUER IMAGO (3), TWITTER @KSHATRIYAN­2811

Das Metaversum der Zukunft ist noch nicht konzipiert. Doch stellen Sie es sich so vor: Mittels Ihres Avatars arbeiten Sie in einem virtuellen Büro, spielen in Ihrer Freizeit das Fantasy-Rollenspie­l „World of Warcraft“, das selbst geschmiede­te Schwert schenken Sie über Facebook einem Freund zum Geburtstag. Sie besitzen virtuelles Land, haben sich darauf ein Haus gebaut, treffen sich abends in einer Bar mit Freunden. In der realen Welt sind sie nur noch selten, wenn sie etwas essen oder sich ein wenig die Füße am Heimtraine­r vertreten. Das ist die Zukunft, die Gegenwart ist davon nicht weit entfernt.

Ein indisches Paar kündigte an, am 6. Februar im Metaversum zu heiraten: Dinesh Kshatryan und Janaganand­hini Ramaswamy wollen im TardiVerse-Metaversum heiraten, eine kürzlich geschaffen­e virtuelle Realität, die auf ihrem YouTube-Kanal Shopping-Erlebnisse, Strandurla­ub und Hochzeiten ankündigt. Ein anderes Beispiel aus dem Metaversum ist der Kauf von digitalem Land durch die kanadische Firma „Tokens.com“: Es handelt sich dabei um ein mittels Blockchain­Technologi­e generierte­s Land.

Das Metaversum ist noch ein „work in progress“: „Facebook hat zwar bereits etwas auf die Beine gestellt, das einem Metaversum nahekommt, aber nur für Nordamerik­a, Teile davon sind weltweit veröffentl­icht worden. Es gibt viele Anbieter und es gibt einzelne Ansätze, aber noch nichts Weltumspan­nendes“, sagt Mathias Lux, assoziiert­er Professor vom Institut für Informatio­nstechnolo­gie der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt. Mark Zuckerberg, Chef des Tech-Giganten Facebook, teilte im Oktober 2021 mit, dass seine Firma einen neuen Namen hat: Meta. Damit ist klar, wohin die Reise geht.

Das Metaversum ist nicht nur eine virtuelle Welt, eine virtuelle Realität, eine digitale Ökonomie, ein Spiel wie der EgoShooter Fortnite, ein App-Store oder ein neues Facebook – wie der Tech-Unternehme­r Matthew Ball und Essayist schreibt: „In seiner vollen Version wird das Metaversum das Eintrittst­or für fast alle digitalen Erlebnisse sein (. . .) und die nächste große Arbeitspla­ttform.“

3-D-Brillen sind dabei die Eintrittsk­arte, doch noch nicht alle Technologi­en existieren: „Das Besitztum von Gütern ist etwas, was noch nicht gelöst ist. Die Technologi­e existiert, aber die Verknüpfun­g von zum Beispiel Facebook mit ,World of Warcraft‘ noch nicht. Wenn man das kombiniere­n will, braucht man ein digitales und sicheres Besitztums­ystem. Das geht über Blockchain-Technologi­en, die nachvollzi­ehbar machen, wem welches digitale Gut gehört“, sagt Lux.

Die Frage des Besitzes oder die Durchlässi­gkeit zwischen Systemen wie Social Media, Spielund Arbeitswel­ten muss man erst lösen. Die Frage ist auch: Wird es einen oder viele Anbieter geben? In „Ready Player One“– dem Roman von Ernest Cline (2011) und im darauf basierende­n Film von Steven Spielberg (2018) – wird eine virtuelle Welt namens Oasis beschriebe­n, die von einer einzelnen Firma betrieben wird. „Eine performant­e immersive 3-DWelt, in die man gut eintauchen kann, ist extrem schwer zu verteilen“, erklärt Lux, „das dezentral zu machen, ohne dass man

Server dafür anmietet, ist schwer. Wenn aber Facebook die Server des Metaverse zahlt, werden sie bei allem mitschneid­en wollen. Das Geschäftsm­odell im Metaversum ist mir noch nicht klar“.

Die reale Welt werde laut Lux ihre Relevanz aber nicht verlieren: „Es wird auch in Zukunft nicht alles in die virtuelle Welt verlagert, auch das Internet, wie wir es jetzt kennen, wird man nicht über Nacht abschaffen.“Wenn aber zusehens mehr Menschen viel Zeit in einem Metaversum verbringen, hat das Auswirkung­en auf die Realität.

„Die kalifornis­che Ideologie der Tech-Giganten, die die Menschheit verbessern wollte, ist nicht eingetrete­n. Es gibt Hate Speech und Cyber-Bulling“, sagt Matthias Wieser, stellvertr­etender Vorstand des Medien-und Komm unikat ions wissen schafts institut der Uni Klagenfurt. Wieser spricht in diesem Zusammenha­ng aber auch an, dass diese Firmen das Kapital haben, solche Veränderun­gen herbeizufü­hren: „Das ist dann auch eine Art self fullfillin­g prophecy.“

Letzten Endes gehe es um Geld und Firmen, die von den Daten leben, die wir im Internet hinterlass­en. Ein Avatar im Metaversum kann nichts mehr geheimhalt­en – es wäre ein Leben schier grenzenlos­er Möglichkei­ten bei gleichzeit­ig völliger Kontrolle. In Neal Stephenson­s Science-Fiction-Roman „Snow Crash“(1992) wird der Begriff Metaversum wie auch der des Avatars bekannt gemacht: In der Geschichte ist das Metaversum eine scheinbar bessere Welt, in die sich die Protagonis­ten flüchten. Es wird sich zeigen, welche Welt die bessere ist: die reale oder die fiktive.

Facebook hat zwar bereits etwas auf die Beine gestellt, das einem Metaversum nahekommt, aber nur für Nordamerik­a.

Mathias Lux, Informatik­er

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Die Avatare des indischen Paares heiraten im Metaversum. In Filmen wie Ready Player One (links) oder Matrix leben Menschen in einem Metaversum
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