„Zeit in junge Mitarbeiter investieren“
INTERVIEW. Der Fachkräftemangel im Tourismus ist ein Dauerthema. Es fehlt zum Teil an Führungsqualitäten, gezielter Mitarbeitergewinnung und flexiblen Arbeitszeitmodellen, sagt Tourismusexperte Stefan Nungesser.
Zu den Spitzenzeiten haben im Vorjahr im Kärntner Tourismus rund 2000 Fachkräfte gefehlt. Betriebe mussten zusätzliche Ruhetage einlegen, weil ihnen Personal fehlte. Erwartet uns in diesem Jahr ein ähnliches Szenario? Was muss getan werden, um gegenzusteuern?
STEFAN NUNGESSER: Natürlich haben wir in der Pandemie und vor allem während der Lockdowns Fachkräfte verloren. Den Fachkräftemangel gibt es aber schon länger. Und sicherlich werden auch in diesem Sommer wieder händeringend Fachkräfte gesucht werden. Eine der wesentlichsten Maßnahmen ist jetzt aber, aus dem Krisengeschreimodus herauszukommen. Wenn wir Mitarbeiter für die Branche zurückgewinnen und junge Menschen für einen Job im Tourismus begeistern wollen, müssen wir beginnen, die positiven Seiten herauszustreichen, auch in Hinblick auf die meinungsbildende Wirkung der Eltern und deren Einfluss auf die Berufswahl der Kinder.
Die gerade veröffentlichten Arbeitsmarktdaten weisen für Jänner 2735 Arbeitssuchende, im Gegenzug aber nur 728 offene Stellen im Tourismus aus. Also das komplette Gegenteil. Wie erklärt sich diese Lücke?
Dafür kann es mehrere Gründe geben. Einmal die Jahreszeit – Sommersaison-Betriebe sind zu. Dann ist die Nachfrage vonseiten der Gäste derzeit noch verhalten, was weniger Bedarf an Arbeitskräften bedeutet. Es kann aber auch sein, dass einige der als arbeitslos aufscheinenden Personen quasi noch „geparkt“sind.
Gastronomie und Hotellerie haben beim Thema Arbeitszeit nicht den besten Ruf. Einige Betriebe sehen jetzt in der Vier-Tage-Woche ein geeignetes Instrument,
um Fachkräfte zu gewinnen. Auch aus Ihrer Sicht ein „Allheilmittel“?
Nicht unbedingt. Es gibt Tendenzen in diese Richtung, diese Betriebe sind aber noch Einzelfälle und kommen aus anderen Branchen. Aber jedenfalls brauchen wir Flexibilität bei den Arbeitszeitmodellen. Nicht jeder Arbeitnehmer will vier Tage in der Woche arbeiten, es gibt auch welche, die wollen die Arbeitszeit auf fünf oder sechs Tage aufteilen. Und neben den Bedürfnissen der Mitarbeiter muss man ja auch immer die Rahmenbedingungen des Betriebes im Auge haben. Die ganz junge Generation heute setzt außerdem nicht mehr so sehr auf Work-Life-Balance, sondern auf die Work-Life-Separation, also die klare Trennung von Arbeit und Freizeit. Es muss gelingen, die Ansprüche der Mitarbeiter mit den Notwendigkeiten des Betriebes unter einen
Hut zu bringen. Man muss aber auch einräumen, dass es Probleme mit der Arbeitszeit sowie bei der Abgeltung von Überstunden in einzelnen Tourismusbetrieben gibt, die somit für das Image der gesamten Branche nachteilige Wirkung haben.
Die Betriebe müssen verstärkt die Fachkräfte von morgen selbst ausbilden. In Kärnten gibt es Tausende Unternehmen in der Tourismusbranche, aber nur 240 bilden selber aus. Zu wenige?
Lehrlinge sind natürlich eine wichtige Investition. Aber man muss auch sehen, dass manche, vor allem kleinere Betriebe, nicht die ausreichende Struktur haben, um sich um die Ausbildung zu kümmern. Da tun sich Größere wesentlich leichter.
Wie könnte man die Unternehmen in der Ausbildungsfrage unterstützen?
Kooperationen zwischen Betrieben sind in dem Zusammenhang ein wichtiger Punkt. Es könnten beispielsweise Coaches zum Einsatz kommen, die dann für die Ausbildung von Lehrlingen in mehreren Betrieben zuständig sind. Eine Idee, an deren Umsetzung gerade gearbeitet wird. Weil die Fachkräfte in den Betrieben meist keine Zeit haben, wird gerade überlegt, hier beispielsweise Lehrer von Tourismusschulen oder ältere, erfahrene Arbeitskräfte zu involvieren.
Wie sollen diese Coaches finanziert werden?
Auch daran wird gerade gearbeitet. Man braucht sicher mehrere Partner wie Wirtschaftskammer, Schulen oder Land.
Ja, bei den Führungsqualifikationen müssen wir jedenfalls ansetzen. Der richtige Umgang mit Jugendlichen ist entscheidend für die ersten Tage, Wochen und Monate im Job. Man muss in die Mitarbeiter investieren, in erster Linie Zeit. Es geht vor allem darum, Führungskräfte fit zu machen. Auch wir an der FH haben Weiterbildungsprogramme, die Führungsthemen im Fokus haben.
Wie müssen Tourismusbetriebe sich heute präsentieren, um für junge Leute attraktiv zu sein?
Die Mitarbeitergewinnung ist ein wichtiges Thema. Und das fängt bei der Homepage an. Es Praxisschock, junge Leute, die in den ersten Tagen in einem Hotel oder Lokal ins kalte Wasser geworfen werden und der Branche dann sehr bald wieder den Rücken kehren – das sind Dinge, die auch seitens der ausbildenden Schulen in Kärnten immer wieder als Problem genannt werden. Muss man demnach bei der Qualifikation der Führungskräfte ansetzen?
gibt mittlerweile Betriebe, die haben eine eigene InstagramSeite nur für Mitarbeiter. Auch Kleinere müssen aber zumindest dazu übergehen, wesentliche Informationen in Bezug auf die Jobs im Unternehmen klar auf ihrer Homepage zu kommunizieren. Und dazu gehört auch das Herausstreichen von Mitarbeiterunterkünften, Verpflegung oder die Möglichkeit der Nutzung des Spas. Sich transparent zu präsentieren, ist heute eine Grundvoraussetzung in der Gewinnung geeigneter Mitarbeiter.
Die steigenden Energie- und Warenkosten spüren auch Gastronomie und Hotellerie. Wird man diese an Kunden weitergeben?
Wir haben derzeit durch die Inflation schon Preiserhöhungen. Diese wird es weiter geben müssen, wenn höhere Investitionen in das Personal getätigt werden. Dadurch kann aber eine Qualitätsverbesserung erreicht werden, und die Preissteigerung wird so gegenüber dem Gast gut argumentierbar.
Wie interessant ist der Tourismus, wenn es ums Verdienen geht?
In den vergangenen Jahren sind die Löhne in der Branche deutlich gestiegen. Nicht zu vergessen, dass man zusätzlich zum Teil Trinkgeld bekommt. Auch die Karrieremöglichkeiten sind gegeben. Und ein Betrieb muss immer deutlich kommunizieren, was noch zum Lohn dazukommt.