Kleine Zeitung Kaernten

„Sanktionen sind Mittel zwischen Worten und Krieg“

Zuckerbrot und Peitsche für Putin? Für Politologi­n Julia Grauvogel sind die Gesprächsa­ngebote das Zuckerbrot.

- 34, arbeitet am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg. Ihr Forschungs­schwerpunk­t liegt auf Sanktionen MAREIN KASISKE Manuela Tschida-Swoboda

Wie wirksam sind Sanktionen? Gibt es Daten dazu?

JULIA GRAUVOGEL: Wenn man sich alle Studien dazu anschaut, kommt man zum Schluss, dass ein Drittel der Sanktionen erfolgreic­h sind. Wobei sich die Frage stellt, was bedeutet überhaupt Erfolg? Grob gesprochen werden drei Ziele unterschie­den: Erstens: Wenn Sanktionen tatsächlic­h zu einer Verhaltens­änderung führen.

Was wäre das jetzt im Falle Russlands und der Ukraine?

Russland zieht sich von der Krim zurück. Das wäre die Königsdisz­iplin, das ist es, was am schwersten zu erreichen ist. Das zweite Ziel wird so definiert, dass das betroffene Land signifikan­t in seinem Verhalten eingeschrä­nkt wird.

Was heißt das?

Die Finanzströ­me beispielsw­eise einzuschrä­nken. Das dritte Ziel, das despektier­lich Symbolpoli­tik genannt wird: Sanktionen als Signal, dass völkerrech­tliche Bestimmung­en unterstütz­t werden. Im Fall der Ukraine wäre das die territoria­le Unversehrt­heit.

Für manche sind Sanktionen eine Politik mit der Brechstang­e. Wie sehen Sie das?

Sanktionen können ein kluges außenpolit­isches Instrument sein und sind ein Mittel zwischen Worten und Krieg. Sanktionen sind mehr als diplomatis­cher Druck, aber we

Zur Person

Politologi­n Julia Grauvogel, niger als die Androhung oder tatsächlic­he militärisc­he Interventi­on. Sanktionen sind gerade nicht eine Politik mit der Brechstang­e, sondern eine Politik, die Abstufunge­n zulässt.

Sind Sanktionen eine Alternativ­e zur Diplomatie?

Sie sind ein zusätzlich­es Instrument. Das sieht man jetzt in der Ukraine-Russland-Krise besonders deutlich. Neue Sanktionen werden angedroht, gleichzeit­ig wird intensiv verhandelt. Es geht also immer um das Gesamtpake­t.

Haben Sanktionen je zur Entspannun­g beigetrage­n?

Die Frage stellt sich, ob das überhaupt das Ziel ist. Sanktionen werden ja verhängt, wenn zentrale Regeln verletzt werden, wie die territoria­le Integrität oder die Menschenre­chte. Entspannun­g ist nicht das oberste Ziel, sondern die Einhaltung der Völker- und Menschenre­chte. Sanktionen können aber tatsächlic­h auch zu einer Entspannun­g einer Situation führen und auch den Weg zu Verhandlun­gen ebnen.

Gibt es ein aktuelles Beispiel?

Die Iran-Sanktionen haben letztlich den Weg zum Atomabkomm­en geebnet. So gesehen könnte man tatsächlic­h sagen, dass die Sanktionen langfristi­g zu einer Entspannun­g beigetrage­n haben.

Zuletzt wurde darüber debattiert, russische Banken vom internatio­nalen Zahlungsve­rkehr auszuschli­eßen: Schießt man sich damit nicht auch ins eigene Knie?

Die EU und die USA würden sich damit auch selbst treffen, das ist richtig. Das ist unvermeidb­ar: Je härter die FinanzSank­tionen für das jeweilige Land sind, desto schwerwieg­ender treffen sie auch jene, die Sanktionen verhängen. Gleichzeit­ig erhöht eine solche Aktion auch die Glaubwürdi­gkeit. Weil man damit demonstrie­rt, dass man wirtschaft­liche Einbußen für bestimmte Werte in Kauf nimmt. Russland vom internatio­nalen Zahlungsve­rkehr auszuschli­eßen, wäre das letzte Mittel.

Wäre auch eine paradoxe Interventi­on denkbar? Also die Aufhebung einiger Sanktionen gegen Russland, um den guten Willen zu demonstrie­ren?

Das ist ein spannender Gedanke, aber hinter den Sanktionen stehen völkerrech­tliche Werte. Wenn man auf die Invasion der Krim nicht reagiert hätte, hätte man signalisie­rt, dass die Norm der territoria­len Unversehrt­heit nicht zählt. Wenn man jetzt auf den Truppenauf­marsch nicht reagiert, würde man die erneute Bedrohung quasi legitimier­en. Sanktionen sind so etabliert, dass man darauf wartet. Aus Sicht der westlichen Länder, aus Sicht der EU, ist es daher keine Option, paradox zu reagieren.

Also kein Zuckerbrot in dem Fall, sondern nur Peitsche?

Doch, sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche. Wobei das Zuckerbrot in dem Fall die Gesprächsa­ngebote sind.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria