„Sanktionen sind Mittel zwischen Worten und Krieg“
Zuckerbrot und Peitsche für Putin? Für Politologin Julia Grauvogel sind die Gesprächsangebote das Zuckerbrot.
Wie wirksam sind Sanktionen? Gibt es Daten dazu?
JULIA GRAUVOGEL: Wenn man sich alle Studien dazu anschaut, kommt man zum Schluss, dass ein Drittel der Sanktionen erfolgreich sind. Wobei sich die Frage stellt, was bedeutet überhaupt Erfolg? Grob gesprochen werden drei Ziele unterschieden: Erstens: Wenn Sanktionen tatsächlich zu einer Verhaltensänderung führen.
Was wäre das jetzt im Falle Russlands und der Ukraine?
Russland zieht sich von der Krim zurück. Das wäre die Königsdisziplin, das ist es, was am schwersten zu erreichen ist. Das zweite Ziel wird so definiert, dass das betroffene Land signifikant in seinem Verhalten eingeschränkt wird.
Was heißt das?
Die Finanzströme beispielsweise einzuschränken. Das dritte Ziel, das despektierlich Symbolpolitik genannt wird: Sanktionen als Signal, dass völkerrechtliche Bestimmungen unterstützt werden. Im Fall der Ukraine wäre das die territoriale Unversehrtheit.
Für manche sind Sanktionen eine Politik mit der Brechstange. Wie sehen Sie das?
Sanktionen können ein kluges außenpolitisches Instrument sein und sind ein Mittel zwischen Worten und Krieg. Sanktionen sind mehr als diplomatischer Druck, aber we
Zur Person
Politologin Julia Grauvogel, niger als die Androhung oder tatsächliche militärische Intervention. Sanktionen sind gerade nicht eine Politik mit der Brechstange, sondern eine Politik, die Abstufungen zulässt.
Sind Sanktionen eine Alternative zur Diplomatie?
Sie sind ein zusätzliches Instrument. Das sieht man jetzt in der Ukraine-Russland-Krise besonders deutlich. Neue Sanktionen werden angedroht, gleichzeitig wird intensiv verhandelt. Es geht also immer um das Gesamtpaket.
Haben Sanktionen je zur Entspannung beigetragen?
Die Frage stellt sich, ob das überhaupt das Ziel ist. Sanktionen werden ja verhängt, wenn zentrale Regeln verletzt werden, wie die territoriale Integrität oder die Menschenrechte. Entspannung ist nicht das oberste Ziel, sondern die Einhaltung der Völker- und Menschenrechte. Sanktionen können aber tatsächlich auch zu einer Entspannung einer Situation führen und auch den Weg zu Verhandlungen ebnen.
Gibt es ein aktuelles Beispiel?
Die Iran-Sanktionen haben letztlich den Weg zum Atomabkommen geebnet. So gesehen könnte man tatsächlich sagen, dass die Sanktionen langfristig zu einer Entspannung beigetragen haben.
Zuletzt wurde darüber debattiert, russische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr auszuschließen: Schießt man sich damit nicht auch ins eigene Knie?
Die EU und die USA würden sich damit auch selbst treffen, das ist richtig. Das ist unvermeidbar: Je härter die FinanzSanktionen für das jeweilige Land sind, desto schwerwiegender treffen sie auch jene, die Sanktionen verhängen. Gleichzeitig erhöht eine solche Aktion auch die Glaubwürdigkeit. Weil man damit demonstriert, dass man wirtschaftliche Einbußen für bestimmte Werte in Kauf nimmt. Russland vom internationalen Zahlungsverkehr auszuschließen, wäre das letzte Mittel.
Wäre auch eine paradoxe Intervention denkbar? Also die Aufhebung einiger Sanktionen gegen Russland, um den guten Willen zu demonstrieren?
Das ist ein spannender Gedanke, aber hinter den Sanktionen stehen völkerrechtliche Werte. Wenn man auf die Invasion der Krim nicht reagiert hätte, hätte man signalisiert, dass die Norm der territorialen Unversehrtheit nicht zählt. Wenn man jetzt auf den Truppenaufmarsch nicht reagiert, würde man die erneute Bedrohung quasi legitimieren. Sanktionen sind so etabliert, dass man darauf wartet. Aus Sicht der westlichen Länder, aus Sicht der EU, ist es daher keine Option, paradox zu reagieren.
Also kein Zuckerbrot in dem Fall, sondern nur Peitsche?
Doch, sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche. Wobei das Zuckerbrot in dem Fall die Gesprächsangebote sind.