Erst Opfer der Bankenpleite, jetzt angeklagt
Strafprozess in der Causa Commerzialbank: Eine Familie mit 25 Sparbüchern soll versucht haben, die Einlagensicherung zu prellen. Wann stehen die Ex-Bankenchefs vor Gericht?
Das Verbrechen des schweren Betruges müssen heute acht Angeklagte in der Causa Commerzialbank verantworten. Nein, Martin Pucher, einst mächtiger Chef der Mattersburger Provinz- und Skandalbank, ist nicht dabei.
Um den Schaden, den Pucher und seine frühere Co-Vorständin durch jahrelange Unregelmäßigkeiten angerichtet haben sollen (die Gläubiger fordern im Konkursverfahren 826 Millionen Euro), geht es im Strafprozess am Landesgericht Eisenstadt nämlich nicht. Im Gegenteil: Der Vorwurf des Betruges – es gilt die Unschuldsvermutung – richtet sich in diesem Fall gegen Opfer der Malversationen in der Bank.
Zu den Geprellten gehörte im Juli 2020, als der Skandal um die Commerzialbank aufflog, eine niederösterreichische Unternehmerfamilie. Sie hatte insgesamt 25 (!) Sparbücher bei der Commerzialbank laufen, 15 lauteten auf den Mann (60), neun auf dessen Ehefrau (56), eines auf den Sohn (28). Gesamteinlage – fast 640.000 Euro. Da die Einlagensicherung bei Spareinlagen mit 100.000 Euro pro Person gedeckelt ist, sollte die Faist milie eine beträchtliche Summe Geld verlieren.
Die Staatsanwaltschaft wirft der Familie vor, Sparbücher an Verwandte und Bekannte weitergegeben zu haben, auf dass diese ihr Glück bei der Einlagensicherung Austria (ESA) versuchen sollten. Prompt flossen von der ESA 347.518 Euro und 47 Cent. Zu Unrecht. Der Coup lohnte jedoch nicht, da das Manöver (vermutlich durch einen Hinweisgeber) aufgedeckt wurde. Die Verhandlung ist von 9 bis 16 Uhr angesetzt.
Vor Kurzem sorgte die Commerzialbank in einem anderen Zusammenhang für ein Nachspiel: Die Bank organisierte, um Kunden zu gewinnen, die Bewohnerlisten mehrerer Gemeinden. Dafür nutzten Mitarbeiter der Bank ihre Kontakte in die Gemeindeämter, dort wurden offenbar bereitwillig Abfragen im Melderegister gemacht. Legal dies nur vor dienstlichem Hintergrund. Die Anklage wegen Amtsmissbrauchs endete für einen Ex-Bankangestellten (Freispruch) und einen Gemeindebediensteten (Diversion) dennoch glimpflich.
Noch offen ist, wann Pucher selbst angeklagt wird. Die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) ermittelt im Hauptverfahren gegen 30 Beschuldigte, ein Ende sei noch nicht in Sicht. Insider vermuten, dass die Causa – ähnlich wie bei der Hypo Alpe Adria – nicht auf einmal verhandelt wird, sondern einzelne Aspekte getrennt abgearbeitet werden. Erste Teilanklagen gegen Geldempfänger und Nutznießer von Puchers System könnten demnach bald (noch heuer) vorliegen. Die Hauptanklage gegen die früheren Vorstände wegen betrügerischer Krida sei aber wohl nicht vor 2024 zu erwarten. Der gesundheitlich schwer angeschlagene Pucher könnte verhandlungsfähig sein, haftfähig aus heutiger Sicht nicht.
In bisher mehr als zwanzig mehrstündigen Einvernahmen zeichnete der bald 66-Jährige mit Ermittlern die Geldflüsse nach. Zuletzt bestätigte der ExChef der Bank und des SV Mattersburg (SVM), dass bis zu