Ein fast zu prachtvoller Mord
Kenneth Branagh inszeniert seine Version von „Tod auf dem Nil“bildgewaltig.
Von Istanbul nach Aswan sind es nur rund 2000 Kilometer Luftlinie. Vom „Mord im Orientexpress“zum „Tod auf dem Nil“hat Kenneth Branagh dennoch fast fünf Jahre gebraucht. Wobei die zweite Agatha-Christie-Verfilmung des Briten schon längere Zeit fertig im pandemischen Warteraum verbracht hat.
Auch wenn das altbekannte LesesesselAbenteuer kriminalistisch-minimalistisch vonstatten geht: Sinn hatte das Warten auf die große Leinwand insofern, als dass es Branagh erneut auf eine ausgesprochen bildgewaltige Adaption des bereits 1978 mit Peter Ustinov prominent verfilmten Stoffes anlegt, gedreht auf analogem BreitbildMaterial. Große, bunte Vistas des Flusses, computergenerierte Tiere und ein KreuzfahrtDampfer namens S.S. Karnak als Handlungsort fühlen sich alle nicht nach Studio an.
Auch die Schauspielenden haben Kinoformat. Kenneth
Branagh selbst schlüpft wieder in die vielfach gelobte und geschmähte Rolle des Hercule Poirot und gönnt seinem belgischen Meisterdetektiv einen Prolog in den WeltkriegsSchützengräben und im Lazarett. Der berühmte Zwirbelschnurrbart soll die Gesichtsnarben des messerscharfen Denkers verbergen. Ein mutiger Auftakt als Kontrast zur sonnigbunten Ägypten-Szenerie der
Haupthandlung.
dann um die junge Millionärin Linnet („Wonderwoman“Gal Gadot). Frisch verheiratet mit Feschak Simon (#MeToo-Täter Armie Hammer), werden die beiden auf der Hochzeitsreise von dessen ehemaligen Verlobten Jacqueline (großartig böse: Emma Mackey) verfolgt. Doch bald – Agatha-Christie-Lesende werden sich an die erste KrimiWendung erinnern – reißt ein erstes Mordopfer den Detektiv aus der Urlaubsruhe.
Die überkonstruierte Geschichte und ihr simples Personal – unaufgeregt entstaubt vom
der
britisch-kolonialistischen, rassistischen Erbe – sind gewohnt verzwickt und gespickt mit Geheimnissen. Doch Poirot durchschaut sie alle mit ihren mörderischen Kammerspielchen.
Der Reiz des begrenzten Raumes – diesmal auf dem Kreuzfahrtschiff statt im Orientexpress – entfaltet seine wendungsreiche Wirkung über 127 Filmminuten. Dennoch verläuft sich Regisseur und Hauptdarsteller Branagh dabei auch immer wieder auf einigen allzu prachtvollen Gemeinplätzen.
Anders als Rian Johnson mit seinem Überraschungserfolg „Knives Out“, gelingt ihm also wieder keine erfrischende Neuerfindung des Kammerspielkrimi-Genres. Unterhaltsam ist sein sattes ägyptisches CluedoSpiel aber allemal. Eine Kinonummer kleiner hätte es dabei aber auch getan. ●●●❍❍