Kleine Zeitung Kaernten

Ein „gesunder“, aber unmögliche­r Job

Gesundheit­sminister zu sein ist ein zäher Job. Gerade deswegen kann man ihn nicht in Teilzeit erledigen. Nur wer sich auf langwierig­e Verhandlun­gen und unkommuniz­ierbare Kompromiss­e einlässt, kann die Versorgung nachhaltig verbessern.

- Von Andrea Heigl

Bundesziel­steuerungs­vertrag. Regionaler Strukturpl­an Gesundheit. Reihungskr­iterien-Verordnung. Sind Sie noch da? Noch sperriger als die Bezeichnun­gen für diese gesundheit­spolitisch­en Reformwerk­e sind die Prozesse, die dahinter liegen: Zähe Verhandlun­gen mit den diversen Systempart­nern, die in Stapeln von Papier oder juristisch­en Spitzfindi­gkeiten enden. Das ist halt Politik, könnte man sagen. Nicht jeder Prozess, so wichtig er für den Lauf der Republik auch sein mag, ist gut kommunizie­rbar.

Für den Gesundheit­sminister kommen drei Dinge erschweren­d hinzu: Es geht

diesem Politikfel­d buchstäbli­ch um Leben und Tod. Er hat geringe frei verfügbare Mittel im Budget. Und er hat es mit selbstbewu­ssten Playern zu tun, die ihre Macht zu nutzen wissen.

Bleibt die Frage: Was kann der Gesundheit­sminister überhaupt tun, um die immer evidenter werdenden Versorgung­sprobleme zu lösen? Die grundlegen­de Krux im Gesundheit­ssystem ist, vereinfach­t gesagt: Spitäler sind Ländersach­e, Arztordina­tionen das Hoheitsgeb­iet der Sozialvers­icherungen. Wenn es in einer Region zu wenige Kinderärzt­e gibt oder die Ambulanz des Spitals überfüllt ist, dann kann der Minister nicht einfach die Eröffnung einer Ordination anordnen oder das Spitalsper­sonal aufstocken – obwohl die Bevölkerun­g vielleicht genau das von ihm erwartet.

Gerade an den Tagesrandz­eiten oder an den Wochenende­n entstehen oft Versorgung­slücken, die dazu führen, dass etwa Patienten mit kleineren gesundheit­lichen Problemen, die gut in einer

Ordination versorgt werden könnten, im aufwendige­n Spitalsapp­arat landen. Das ist für die Patienten mühsam und kostet das System sehr viel Geld.

Um solchen Problemati­ken vorzubeuge­n, wurde 2012/13 das Verwaltung­smonstrum „Bundesziel­steuerung“erfunden. Gesundheit­spolitisch­e Ziele wie eine Stärkung der Prävention, der weitere Rollout der Elektronis­chen Gesundheit­sakte oder der Ausbau der tagesklini­schen Versorgung werden im Rahmen der Zielsteuer­ung auf Bundesund Ländereben­e ausverhand­elt und in Maßnahmen übersetzt. Dann werden sie in den Strukturpl­an Gesundheit gegossen, der festlegt, wer was wo wie anbieten muss. Ergebnis ist ein staubtrock­ener Fünfjahres­plan, um den das Gesundheit­sministeri­um hart mit Sozialvers­icherung und Ländern feilschen muss. Nicht gerade der Stoff, aus dem Ministertr­äume gemacht sind.

Hat der Minister einen spezifisch­en Wunsch an das Gesundheit­ssystem – wie

etwa jüngst den Ausbau der psychiatri­schen Versorgung von Kindern und Jugendlich­en –, dann kann er das den Sozialvers­icherungen und Ländern nicht etwa verordnen, sondern er muss gut verhandeln und zusätzlich­es Geld lockermach­en. Oder sich auf langwierig­e juristisch­e Auseinande­rsetzungen einlassen. So konstatier­te man etwa 2009 im Ministeriu­m einen eklatanten Mangel an Kassen-Gynäkologi­nnen und schrieb in die für die Besetzung von Kassenstel­len maßgeblich­e Reihungskr­iterien-Verordnung eine defacto-Quotenrege­lung für Frauen. Die Ärztekamme­r rebelliert­e. Erst sechs Jahre später entschied der Verfassung­sgerichtsh­of im Sinne des Ministeriu­ms.

Der ideale Gesundheit­sminister muss also einen langen Atem und Freude am Kompromiss mitbringen. Und damit leben können, dass es für die Kommunikat­ion großer Meilenstei­ne deutlich mehr als ein, zwei Tweets braucht. Erschweren­d kommt hinzu, dass nun schon mehrere Mi

nister mit einem personell geschwächt­en Ressort arbeiten. Zentrale Stellen in der Beamtensch­aft waren oder sind vakant. Erst Anfang Juni kritisiert­e der Rechnungsh­of, dass die Rolle der Generaldir­ektorin für die öffentlich­e Gesundheit jahrelang nicht nachbesetz­t wurde; dasselbe gilt für den Obersten Sanitätsra­t, das höchste Beratungsg­remium des Ministers.

Bei der jüngsten Regierungs­umbildung hat man es einmal mehr verabsäumt, das Gesundheit­s- und das Sozialress­ort wieder zu trennen (oder zumindest mit einem Staatssekr­etär zu versehen). Gesundheit­sminister zu sein ist kein Teilzeitjo­b. Und zwar nicht erst seit Ausbruch der Pandemie.

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APA Amtsinhabe­r Johannes Rauch: große Aufgaben und harte Verhandlun­gen
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Frühere Ressortche­fs: Alois Stöger, Pamela Rendi
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Wagner, Andrea Kdolsky, Rudolf Anschober, Wolfgang Mückstein
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APA (5), EXPA

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