Europa und die Zukunft der Ukraine
EU-Kommissionspräsidentin zu Beitrittsgesprächen in Kiew. Lage im Osten verschärft sich weiter.
Die EU-Kommission wird voraussichtlich am Freitag ihre Einschätzung dazu veröffentlichen, ob der Ukraine der Status als Kandidat für einen EU-Beitritt gewährt werden sollte. Überraschend ist gestern Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein weiteres Mal zu Gesprächen über den EU-Beitrittsantrag in Kiew eingetroffen, um mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal offene Punkte zu erörtern. Zudem sollte es um die langfristige Hilfe der EU bei der Beseitigung der Kriegsschäden gehen. „Wir werden eine Bestandsaufnahme der für den Wiederaufbau benötigten gemeinsamen Anstrengungen und der Fortschritte der Ukraine auf ihrem europäischen Weg vornehmen“, sagte von der Leyen. Selenskyj bezeichnete die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft seines Landes als wegweisend für ganz Europa: „Eine positive Antwort auf unseren Antrag kann eine positive Antwort auf die Frage sein, ob es überhaupt eine Zukunft des europäischen Projekts gibt.“Kiew sei dankbar für das sechste Sanktionspaket gegen Russland. „Doch der Krieg geht weiter, daher ist ein siebtes Sanktionspaket erforderlich, das noch stärker sein sollte.“Die Entscheidung
über den Kandidatenstatus liegt bei den EU-Staaten und muss einstimmig getroffen werden.
In diesem Zusammenhang hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bei Besuchen in Nordmazedonien und Bulgarien die sofortige Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien gefordert. Am Abend wurde bekannt, dass Scholz noch im Juni nach Kiew reisen soll, wie „Bild“berichtete. Auch Österreich drängt auf Verhandlungen mit den Westbalkanstaaten, für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist das eine „Bedingung“, falls die Ukraine den Status erhalten soll.
Während aus der Ostukraine anhaltend schwere Kämpfe gemeldet werden, sind im russisch besetzten Mariupol nach ukrainischen Angaben Seuchen ausgebrochen. In der im Süden gelegenen Hafenstadt gebe es einen Choleraund Ruhrausbruch, sagte Bürgermeister Wadym Bojtschenko. Teile der Wasserversorgung seien verseucht und sanitäre Anlagen zerstört. Im seit Wochen umkämpften Sjewjerodonezk tobten unterdessen nach britischen Erkenntnissen anhaltend „intensive Straßenkämpfe“zwischen russischen und ukrainischen Truppen. Auf beiden Seiten gebe es zahlreiche Opfer.