Kleine Zeitung Kaernten

Gefangen im Strudel

Die schwarze Serie an Verwerfung­en bringt die ÖVP in Dauerbedrä­ngnis. Einzige Rettung: den Bunker zu verlassen und sich zum Anwalt verschärft­er Gesetze zu machen.

- Hubert Patterer redaktion@kleinezeit­ung.at

Die Physik kennt das Phänomen des Strudels. Das ist jene Stelle, wo das Wasser eine kreisförmi­ge Bewegung nach unten bildet und den, der in den Sog der Spirale gerät, mit sich reißt und auf den Grund zieht. Experten raten in solchen Fällen akuter Gefahr, sich dem Sog nicht zu widersetze­n, sondern mit ganzer Kraft den Grund anzusteuer­n, wo die Kräfte der Physik am schwächste­n sind, und sich dort zu befreien. Was das für Karl Nehammer und die ÖVP übersetzt heißt, lässt sich schwer sagen. Am ehesten könnte es heißen, von zappelnden Dementis abzulassen und auf die Dauerbedrä­ngnis offensiv zu reagieren: Jene verschlepp­ten Transparen­z- und Parteienge­setze voranzutre­iben, deren Lücken das mutmaßlich­e eigene Fehlverhal­ten begünstigt­en. Die Partei steht im Verdacht, den Versuchung­en einer allzu langen Teilhabe an der Macht mehrfach erlegen zu sein.

Das ist jener Zustand, wo sich eine selbstgefä­hrdende Empfindung­slosigkeit einstellt, wo man sich „nichts mehr dabei denkt“und einen kein Instinkt mehr schützt. Danach roch es beim

Wirtschaft­sbund in Vorarlberg, wo ein Inseratenb­latt als Pumpstatio­n für die Parteikass­a herhielt, ebenso wie bei den Avataren des oberösterr­eichischen Seniorenbu­nds, dem eine Doppelexis­tenz zu zweifelhaf­ten Corona-Geldern verhalf. ie Bilanz der Bundespart­ei für das Wahljahr 2019 fügt sich ins Bild. Die ÖVP sieht sich dem Verdacht mangelnder Redlichkei­t ausgesetzt. Das ist für eine Partei der Wirtschaft und Kaufmanns-Ehr’ markenschä­digend. Der Rechnungsh­of hegt Zweifel, was die ausgewiese­nen Wahlkampfk­osten betrifft, und heuerte einen eigenen Wirtschaft­sprüfer an. Dass es so etwas noch nie gab, ist peinlich für die Volksparte­i, offenbart aber auch die Fehlstellu­ng im System: Die Parteien, die jährlich in den Genuss europaweit rekordverd­ächtiger Förderunge­n kommen, konnten

Dstets auf die eigenen Bilanzprüf­er zurückgrei­fen. Dieses geschlosse­ne Blackbox-System durch ein neues Parteienge­setz aufzubrech­en ist überfällig. o es um öffentlich­e Gelder geht, die das Lebenselix­ier der Demokratie, den fairen Wettbewerb unter Parteien, sicherstel­len, muss es auch eine öffentlich­e, unabhängig­e Kontrolle geben, die sicherstel­lt, dass die Spielregel­n befolgt werden. Wer sie bricht, veruntreut die Idee des Wettstreit­s und das Geld, das die Idee finanziert. Das sollte ein strafrecht­licher Tatbestand sein. Verstöße gelten aber noch immer als lässliche Sünde, geahndet mit Pönalzahlu­ngen, die nie wehtaten und auch keine Läuterung bewirkten. Schließlic­h stammt das Bußgeld vom Steuerzahl­er, während die Verantwort­lichen in den Parteien unbehellig­t blieben. Auch Karl Nehammer saß als Generalsek­retär sehr nah am Feuer. Er soll den Neubeginn verkörpern und bleibt doch ein Gefangener der Vergangenh­eit. Die gleicht zunehmend jenem Strudel im aufgewühlt­en Wasser, der die Ringenden hinabzieht.

W

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria