„Der Verdienst deckt die Kosten nicht“
Milchbauern sind aufgrund des volatilen Milchpreises von der Teuerung besonders betroffen. Ein Lokalaugenschein am Lenz-Hof bei Feldkirchen.
Der Kuhstall mit Ausblick und Auslauf scheint ihnen zu gefallen. Friedlich und genüsslich verdauen die hellbraun-weiß gefleckten Kühe im Strohbett liegend ihr Futter. Manch eine lässt sich von der rotierenden Kratzbürste den Rücken kraulen. Die Kälber nähern sich zutraulich. „Wenn die Tiere ruhig sind, geht es ihnen gut“, sagt Günter Tschernitz, Milchbauer
Fleckvieh-Züchter aus Überzeugung und TierwohlAnhänger.
Obwohl der Weltmilchtag vorletzte Woche bei der derzeitigen Preis-Kosten-Schere kein Grund zum Feiern war, ist er keiner, der jammert. Wohl aber einer, der faire Preise für die Bauern ähnlich den Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer fordert. „Wenigstens die normale Indexierung von drei Prozent pro Jahr sollte uns zugestanden werden“, meint er. „Um Milchwirtschaft nachhaltig zu betreiben, bräuchten wir ein Mitwachsen der Preise wie in allen anderen Branchen.“
Der Milchpreis habe in den letzten 20 Jahren nur eine Seitwärts- und keine Aufwärtsbewegung erfahren. Konnten seine Eltern mit 15
Kühen und 45.000 Litern Milch pro Jahr den Hof in Tschwarzen bei Feldkirchen im Vollerwerb führen, so reichen seine 30 Milchkühe und insgesamt 70 Rinder heute nur für den Nebenerwerb, obwohl er 200.000 Liter Milch produziert.
„Unseren Privatverbrauch können wir mit den Betriebseinnahmen nicht finanzieren“, sagt der Landwirtschaftsfachlehrer, der mit Gattin Adelheid vier Kinder hat. Drei sind erwachsen, der Jüngste geht in die Schule. „Heute nur von der Milchwirtschaft zu leben, ist für eine Familie schwer machbar.“Zumal Tierwohl-Investitionen wie die Umstellung auf Laufställe, Belüftung, Gummibeläge, damit die Kuh weich geht, und trockene Lieund geflächen merkbar zu Buche schlugen. Die derzeitigen Preissteigerungen engen den Spielraum massiv ein.
Grünfutter und Silomais hat der Betrieb mit 27 Hektar Nutzfläche selbst, Getreide und Eiweißfutter müssen zum Teil zugekauft werden. Seit einem halben Jahr sei der Preis dafür um über 40 Prozent gestiegen, erläutert Tschernitz, der sich viele Gedanken über die gesunde Ernährung seiner Tiere macht.
Um Milchwirtschaft nachhaltig zu betreiben, bräuchten wir ein Mitwachsen der Preise wie in allen anderen Branchen. Günter Tschernitz, Milch-Landwirt
Für 6000 Liter Diesel im Jahr muss er nun 3000 Euro mehr bezahlen, der Handelsdünger, den er für gewisse Ackerkulturen braucht, wurde um 300 Prozent teurer. Auch die Dienstleistungen, die er vom Maschinenring zukauft, seien teurer geworden. So koste
etwa eine Stunde Futterernte mit Spezialmaschinen statt 120 nun 150 Euro. Obwohl Milchmenge und Produktivität durch Effizienz gesteigert werden konnten, bliebe kaum Gewinn übrig.
Dennoch sei die Landwirtschaft „keine Liebhaberei, kein Hobby“, die Wirtschaftlichkeit sei „schon gegeben“, betont Tschernitz, der mit seiner Frau, einer Seminarbäuerin, seit Jahrzehnten je
Morgen um 5.30 Uhr aufsteht und zwei Mal täglich in den Stall geht. Müsste er einen Helfer anstellen, wäre die Milchproduktion „undenkbar“. Bei der Frage nach Urlaub, lachen die beiden. Eine Woche, aufgeteilt auf zwei bis drei Tage, gehe sich im Jahr aus. „Hagel, eine kranke Kuh oder eine schlechte Ernte sind viel schlimmer als fehlender Urlaub“, sagt der Landwirt.
„Es ist nicht jeden Tag lustig, aber wir haben uns für dieses Leben entschieden, weil wir überzeugt sind, dass es richtig ist“, ergänzt Adelheid Tschernitz. Landwirtschaft sei die Lebensgrundlage der Gesellschaft. „Sie hat mit der Produktion von Lebensmitteln, Holz und Energie wesentliche Ressourcen für Nachhaltigkeit in der Hand.“Rinderhaltung sei in Österreich, das viel Grünland und Almen besitze, die adäquate Wirtschaftsform.
Vom Preiskampf mit Handel und Weltmarkt äußerst betroffen sind seit jeher die Milchbauern. „Die Produktionskosten werden derzeit durch den Milchpreis nicht gedeckt“, sagt Tschernitz. Und das, obwohl die Kärntden nermilch im Mai und Juni den Preis pro Liter um insgesamt
vier Cent für die Bauern erhöht hat. „Das ist für uns relativ viel Geld. Die MolkereiGenossenschaft hat es noch gar nicht verdient, sie muss es vom Handel erst kriegen.“Der Handel habe als Mittler zwischen Produzenten und Konsumenten eine Schlüsselfunktion und solle die Wertschätzung hochwertiger regionaler Lebensmittel über den Preis sichtbar machen.
Zwei Drittel der Milchbauern in Österreich haben in den letzten 25 Jahren aufgehört. Adelheid und Günter Tschernitz möchten diesen Trend nicht fortsetzen. Sie werden ihre Leidenschaft für die Landwirtschaft an die nächste Generation weitergeben.
Es ist nicht jeden Tag lustig. Aber wir haben uns für dieses Leben entschieden, weil wir überzeugt sind, dass es richtig ist. Landwirtschaft ist die Lebensgrundlage der Gesellschaft. Adelheid Tschernitz, Bäuerin