Kleine Zeitung Kaernten

Von der Kunst, gut gekleidet zu sein

Die „Peaky Blinders“verabschie­den sich mit der sechsten Staffel aus dem Serienuniv­ersum, aber ihr Stil ist unvergängl­ich. Einblicke in die Modewelt der 1920er-Jahre, die heute noch mit großer Hingabe gepflegt wird.

- Von Susanne Rakowitz

Klammert man die vorbeifahr­enden Autos einmal aus und ersetzt sie durch eine fabelhafte Nummer namens „Red Right Hand“von Nick Cave, dann hätte man schon ein perfektes Seriensett­ing: Wie sie da so sitzen, würden Adi Berghold und Robert Krenn glatt als Statisten für die Kultserie „Peaky Blinders“durchgehen. Dreiteiler, feiner Zwirn und die Schiebermü­tze in Griffweite, die Set-Ausstatter wären vollauf zufrieden. Wobei, um eines klarzustel­len: Set ist das hier keines, sondern eine Lebenseins­tellung. Vor allem bei Adi Berghold, der seine Liebe zu Tweed, Anzügen und Mode der 1920er-Jahre in seinem Grazer Geschäft „verytasch“seit Jahren zelebriert. Wenn nun die Kultserie Blinders“(Netflix) mit der sechsten Staffel zumindest als Serie zu Ende geht – ein Folgefilm ist geplant – macht sich auch hier in der Mandellstr­aße ein bisschen Wehmut breit. Mit der Serie „Peaky Blinders“hat die BBC seit 2013 den Kult um die 1920er neu aufleben lassen. Im rauen Birmingham eröffnen die drei Shelby-Brüder nach dem Ersten Weltkrieg gleich ein paar neue Fronten: Man will aufsteigen, aber setzt auf ein schwer kontrollie­rbares Pferd – als kriminelle Familienga­ng hat man wenige Freunde, aber dafür umso mehr Feinde. Im Auftritt sind sie immer fesch, aber weniger schön in den Mitteln ihrer Wahl. Dass in den berühmten Schiebermü­tzen die Rasierklin­gen für den Straßenkam­pf versteckt sind, gibt einen kleinen Hinweis darauf, dass hier mit mehr als nur harten

Bandagen gekämpft wird.

Rasierklin­gen gibt es hier im „verytasch“natürlich keine, auch, weil die Bärte hier schon perfekt genug gestutzt sind. Ansonsten ist hier alles vorrätig, um in die Modewelt dieser Zeit einzutauch­en: Dreiteiler in Tweed

oder leichteren Sommerstof­fen, Schiebermü­tzen, Hosenträge­r und natürlich jede Menge Fachwissen.

„Die Serie war für diese Form von Stil sicher ein Schub und hat das Interesse einer gewissen Klientel ge„Peaky weckt“, wie Berghold erklärt. Wobei sich viele seiner Kunden zunächst vorsichtig annähern – über einen kompletten Dreiteiler, wie ihn Berghold standardmä­ßig trägt, traut sich im Alltag kaum einer drüber: „Viele tragen etwa zunächst nur das Sakko oder auch nur Weste oder Hose.“

Wobei das Kombiniere­n mit Jeans oder T-Shirt auch hier nicht allzu streng gesehen wird – obwohl „Der Gentleman“, das Standardwe­rk des renommiert­en Männermode­experten Bernhard Roetzel, hier in Griffweite liegt. Es ist die grundsätzl­iche Bereitscha­ft sich in

zu werfen, die mehr und mehr abnimmt, wie Berghold feststellt: „Gerade in der Coronazeit hat man gemerkt, dass die Leute nicht rausgekomm­en sind und vor allem Haus- und Sportkleid­ung getragen haben. Es ist natürlich wahnsinnig schwer, das wieder aus den Leuten rauszubrin­gen.“

Robert Krenn hingegen, Freund des Hauses und des Hausherrn, schwört auf seine Schiebermü­tzen und den Stil der 1920er: „Es ist der Reiz des Außergewöh­nlichen. Man hat etwas anderes an als die anderen Leute und ja, man fällt damit auch auf.“

Eine Zwischendu­rchphase ist das nicht und das Wort Hipster sollte hier bitte auch nie fallen, denn die Beschäftig­ung mit Mode ist alles andere als ein flüchtiges Geschäft, sondern Einstellun­gssache. Und dass „Peaky BlinSchale

ders“eine britische Serie ist, ist auch kein Zufall. Das Land der Dandys hat schon im 18. Jahrhunder­t der quietschbu­nten Höflingsmo­de eine Absage erteilt und legte so den Grundschni­tt für den modernen Anzug.

Der Urvater der Dandys, George Bryan Brummell (1778–1840), verschafft­e sich dann mit seinem Modeverstä­ndnis trotz nicht adeliger Abstammung Zutritt zu den allerhöchs­ten Kreisen. Ihn als Influencer zu bezeichnen, ist zwar vielleicht nicht sonderlich elegant, aber durchaus stimmig. „Der Anzug ist die moderne Rüstung des Gentleman“, heißt es so schön in der Filmreihe „Kingsman“, bei den feinen ausstaffie­rten Agenten aus der Savile Row, der legendären Straße der britischen Herrenschn­eider in London. Dort hat sich unter der Federführu­ng von Gustav Temple eine eingeschwo­rene Gemeinscha­ft gegründet, die diese Form der Mode und Haltung zelebriert. Und auch

protestier­t, so nötig: Als 2012 das kalifornis­che Gute-Laune-College-Mode-Label „Abercrombi­e and Fitch“ausgerechn­et in der Savile Row einen Store eröffnen wollte, marschiert­en mehrere Dutzend in Tweed gewandete Damen und Herren dort auf. Der Store ist dort seit dem Vorjahr Geschichte, aber Gustav Temples Magazin „The Chap“hält seit 23 Jahren die Wertewelt der britischen Dandys hoch.

Im „verytasch“wird unterdesse­n mit viel Hingabe das Innenfutte­r einer Anzugjacke besprochen: Ein Schwarm bunter Schmetterl­inge flattert zwischen den Ärmeln hin und her. Der Blick für die Details und die Gesamtkomp­osition ist hier Programm. Das ist alles andere als ein Nachteil, sondern einfach das Gegenteil von Fast Fashion. „Zeitlos schön“könnte man auch dazu sagen.

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 ?? ?? Unten: eine Wunderkamm­er des guten Geschmacks, das „verytasch“
Unten: eine Wunderkamm­er des guten Geschmacks, das „verytasch“
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„Der Gentleman“von Bernhard Roetzel
Immer griffberei­t: „Der Gentleman“von Bernhard Roetzel
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MANUEL HANSCHITZ (6) Stilsicher: Robert Krenn mit Schiebermü­tze
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Hauptdarst­eller Cillian Murphy, er spielt in der Serie „Peaky Blinders“das Familienob­erhaupt Tommy Shelby
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IMAGO (2), BBC Auch die Frauenmode ist bei den „Peaky Blinders“an Eleganz kaum zu überbieten
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Auftritt Shelby-Gang: Seit Freitag läuft die letzte Staffel der BBC-Serie auf Netflix
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Hat ein Händchen für Männermode: Adi Berghold

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