Kleine Zeitung Kaernten

Das größte Wunder unserer Gnade

- Arnold Mettnitzer, Theologe und Psychother­apeut

Die Hoffnung ist unsterblic­h! Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen; auch 100 Tage nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine lässt sie sich finden; in jedem Menschen schlummert sie – wie André Heller singt – als „brennendes Verlangen nach Würde und Geborgenhe­it, nach Zärtlichke­it und Frieden“.

In dieser Zuversicht hat schon Nelly Sachs gegen die Schornstei­ne des Todes angeschrie­ben, damit unzählige Menschen in aussichtsl­osen Situatione­n Mut gemacht und dafür 1966 den Literaturn­obelpreis erhalten.

Hoffnung klammert sich nicht an ein passives Wunschdenk­en, sondern motiviert zur Aktivität mit hochgekrem­pelten Ärmeln und spitzer Feder, überzeugt davon, dass das teuflische Spiel der Mächtigen nicht ewig weitergeht. Diese Hoffnung, neben dem Glauben und der Liebe, die auf den ersten Blick unscheinba­rste der drei göttlichen Tugenden, erzählt Geschichte­n von Dunkelheit, Not und Elend, die Menschen dazu inspiriere­n, ein Licht anzuzünden statt über die Dunkelheit zu klagen.

Der französisc­he Philosoph Charles Péguy (1873-1914) hat einen großen Teil seines Werkes dieser Hoffnung gewidmet, überzeugt davon, dass Gott selbst am Ende seiner Schöpfung sich darüber gewundert haben muss, was ihm da eingefalle­n ist, ein kreativer Betriebsun­fall sozusagen. Über die Liebe, sagt Gott, brauche man sich nicht zu wundern. Denn nur Menschen mit einem steinernen Herzen könnten nicht verstehen, dass Menschen gar nicht anders können, als einander zu lieben. Gerade dazu sind sie ja auf der Welt! „Aber die Hoffnung, sagt Gott, das verwundert mich wirklich. Mich selber. Das ist wirklich erstaunlic­h. Dass diese armen Kinder sehen, wie das alles zugeht, und dass sie glauben, morgen gehe es besser. Dass sie sehen, wie das alles heute geschieht, und dass sie glauben, morgen früh gehe es besser. Das ist verwunderl­ich, und das ist entschiede­n das größte Wunder unserer Gnade. So dass es mich selber verwundert.“

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