Überhartnäckige Mythen und falsche Bilder
„Pssst! Nicht, dass jemand zuhört!“Weibliche Sexualität ist immer noch stark tabuisiert. Warum es wichtig ist, darüber zu sprechen.
Werden Menschen aufgefordert, über Sex zu sprechen, gibt es oft eine große Hemmschwelle. Denn auch wenn der lustvolle Zeitvertreib im Leben von den meisten Erwachsenen eine
Rolle spielt, ist das Thema an sich noch häufig stark tabuisiert. Noch stärker gilt das, wenn es um weibliche Sexualität geht.
Fällt beispielsweise der Begriff „Masturbation“, denken die meisten Menschen zuerst an Männer. Doch auch für Frauen spielt Selbstbefriedigung eine wichtige Rolle, erklärt Nicole Siller (Sexualberaterin) im MedizinPodcast der Kleinen Zeitung: „Dabei passiert sehr viel im Körper. Es werden viele Glücks- und Bindungshormone ausgeschüttet.“
In den sozialen Medien sprechen junge Frauen mittlerweile viel offener über Masturbation und ähnliche Themen. Eines davon hat vor Kurzem für viel Aufsehen gesorgt. Stark diskutiert wurde die Tatsache, dass viele Menschen – auch Frauen – nicht wirklich wissen, wie die weiblichen Geschlechtsorgane konkret aufgebaut sind. Studien zeigen aber mittlerweile nachweislich, dass es gesundheitsförderlich ist, wenn Menschen ihren eigenen Körper gut kennen.
Dass hinsichtlich der weiblichen Geschlechtsorgane hier
Aufholbedarf besteht, sei laut Siller kaum verwunderlich: „Erst
1998 wurden die weiblichen Geschlechtsorgane erstmals für Fachmedien korrekt abgebildet. Und erst seit diesem Jahr werden diese in den ersten Schulbüchern biologisch richtig dargestellt.“
Wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der weibliche Sexualität viel mehr Raum bekommt. Und das ist gut und auch notwendig, weil wir immer noch viele falsche Bilder und Glaubenssätze im Kopf haben. Nicole Siller
Viele Menschen benutzen für weibliche Geschlechtsorgane Worte, die schon bewertend sind. So etwa Schamlippen – das impliziert schon, dass es sich dabei um etwas handelt, dass man verstecken müsste. Nicole Siller
Bisher höchst selten korrekt abgebildet wurde etwa die Klitoris: „Sie ist das einzige Organ im weiblichen Körper, das nur dem Lustgewinn dient und hat dafür 8000 Nervenzellen zur Verfügung. Viele denken immer noch, dass es sich dabei nur um eine kleine sichtbare Perle handelt. Aber dass sie in Wahrheit neun bis 13 Zentimeter lang ist, ist oft nicht bekannt“, so die Expertin.
Fälschliche Annahmen und Mythen um die weibliche Sexualität, die sich hartnäckig halten, gibt es einige.
So auch die Vorstellung eines Jungfernhäutchens: „Diesen Mythos gibt es schon sehr lange. Mittlerweile gibt es immer mehr Studien, die zeigen, dass es ein solches nicht gibt. Was bei allen Frauen vorhanden ist, ist der sogenannte Vaginalkranz. Dabei handelt es sich um einen Ring im Inneren, der normalerweise viel Dehnung aushält, aber manchmal doch kleine Risse bekommen kann.“Ein
Häutchen, das den
Eingang verschließt, gibt es aber definitiv nicht:
„Sonst
wäre die Regelblutung vor dem ersten Sex ja gar nicht möglich“, so Siller. Um Mythen wie diesen entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass sich sowohl Frauen wie auch Männer genauer mit der weiblichen Sexualität auseinandersetzen und auch über anatomische Gegebenheiten besser Bescheid wissen. „In Partnerschaften ist es zusätzlich wichtig, dass man ehrlich miteinander kommuniziert und sich die eigenen Wünsche und Vorstellungen auch ansprechen traut.“So kann ein gesunder Zugang zur Sexualität geschaffen werden.