Legende, Nationalheld, Teamkollege
Jahrelang war Sergio Pérez im Mittelfeld der Formel 1 zu finden. Heuer kämpft der Nationalheld Mexikos plötzlich um den WM-Titel.
Junge, coole und aufstrebende Talente mit großem Potenzial und ebenso großer Beliebtheit bei Fans und in den sozialen Netzwerken. Nach diesem Anforderungsprofil stellte sich Red Bull in der jüngeren Vergangenheit sein Fahrerduo zusammen. Warum auch nicht, wirbt die Firma doch gerne mit waghalsigen Athleten, die aus Helikoptern springen oder einer Lawine davonbrausen. Wie passt dann aber ein 32-jähriger, zweifacher Familienvater, wie Sergio Pérez, ins Konzept? Die Antwort: Perfekt. Jahrelang waren die Bullen in der Formel 1 auf der Suche nach einem idealen Partner für Max Verstappen. Daniil Kwjat, Alexander Albon und Pierre Gasly scheiterten an der Seite des Niederländers am hohen Erwartungsdruck und der wohl nicht immer einfachen Zusammenarbeit. Mit dem routinierten Mexikaner wagte der britisch-österreichische Rennstall ein Experiment, dessen Ergebnis sich nun endgültig als positiv herausstellt. In der
Vorsaison zu Beginn noch mit Problemen, verhalf er seinem Teamkollegen beim WM-Finale in Abu Dhabi bereits zum Titel, in dem er mit all seiner Routine und Erfahrung Lewis Hamilton hinter sich zum Verzweifeln brachte. „Checo ist eine Legende“, funkte Verstappen direkt nach der Zieleinfahrt an die Box und bedankte sich im Moment seines größten Erfolgs gleich beim TeamKollegen.
Just in Baku 2021, Austragungsort des heutigen Grand Prix
(Start: 13 Uhr), fuhr er seinen ersten Sieg für Red Bull ein. Dieses Jahr folgte in Monaco sein zweiter Streich – und plötzlich werden Diskussionen laut, ob sich aus dem Zweikampf zwischen Verstappen und Charles Leclerc nicht ein Dreikampf entwickeln könnte. „Derzeit ist Max klar der Schnellere, hat drei Siege mehr als Checo (Sergio PéAnm.) – und das bei einem Ausfall mehr. Sollte er jedoch Probleme bekommen, ist Checo sicher zur Stelle“, sagt Helmut Marko. Teamchef Christian Horner sieht es sogar etwas offener: „Uns ist egal, wer von beiden Weltmeister wird. Sie beide haben die gleichen Chancen.“
Doch wie kam es dazu, dass die im Vorjahr noch klare Nummer zwei nach Jahren des Wanderns (Sauber, McLaren, Force India/Racing Point) plötzlich im Gespräch um den Weltmeistertitel ist? Das Talent dazu hatte Pérez von Beginn an, schaffte 2011 den Sprung über seine Ferrari-Beziehungen ins Sauber-Team. Nach einem durchwachsenen Premierenjahr fuhr er in einem unterlegenen Boliden zu drei Podiumsplatzierungen, was ihm ein vielversprechendes Engagement bei McLaren einbrachte – zum leider ungünstigsten Zeitpunkt. Die
Mischung aus hohen Erwartungen und einem Rennstall, der sich auf dem absteigenden Ast befand, führten zur Trennung nach nur einem Jahr. Mit Force India, später Racing Point, entwickelte er sich zu einem der konstantesten Fahrer. Sein beeindruckender Umgang mit den oftmals launischen Reifen brachte ihm schnell den Beinamen „Reifenflüsterer“ein.
Trotz seiner Fähigkeiten stand der Mexikaner Ende 2020 vor einer Karrierepause oder gar dem Ende. Bis ihn die Bullen überraschend in letzter Sekunde verpflichteten, er sich erstmals bei einem Top-Team wiederfand. „Tatsächlich war er für uns kein Unbekannter und vor 14 Jahren am Sprung in unser Junior-Team. Wir haben einfach gesehen, dass wir nach den Erfahrungen mit Gasly und Albon einen erfahrenen Piloten brauchen, wenn wir um die WM kämpfen möchten“, erinnert sich Marko, der seinen Schützling auch abseits der Strecke lobt. „Er ist der beste Teamplayer, den wir je hatten und fahrerisch derjenige, der am nächsten an Verstappen dran ist. Ansonsten ist er ein emotionaler Mexikaner, der so seine Schwingungen hat.“
Dieses Lob ist für Pérez zwar sicher schön zu hören, viel größer dürfte dann jedoch die Freude über die Vertragsverlängerung bis 2024 gewesen sein. „Das macht mich extrem glückrez,
lich. Ich bin so stolz drauf, Teil dieses Teams zu sein und fühle mich hier jetzt wie zu Hause. Ich bin gespannt, wohin uns die Zukunft führen wird“, erklärte er.
Vielleicht sogar zum ersten WM-Titel für Mexiko. Was dann los ist, mag man sich nicht ausmalen. Schon jetzt wird ein Drittel aller Merchandising-Artikel von Red Bull in Mexiko verkauft.