Kleine Zeitung Kaernten

Geld für alle, Geld für immer?

Die türkis-grüne Koalition kündigt ein großes Paket gegen Teuerung an: Direktzahl­ungen, dauerhafte Absicherun­g von Steuern und Förderunge­n gegen Inflation. Experten sehen Licht und Schatten.

- Von Georg Renner

Konfrontie­rt mit der höchsten Geldentwer­tung seit Jahrzehnte­n, packt die türkis-grüne Koalition den Holzhammer aus. Am Dienstag hat sie ein Anti-Teuerungsp­aket vorgestell­t, für das sie selber nur Superlativ­e findet: „Das Volumen ist tatsächlic­h riesig. Das ist keine Übertreibu­ng oder Zuspitzung, sondern faktisch“, befand Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP), „echt groß, ein Riesenvolu­men“, ergänzte Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne).

Und tatsächlic­h: Das Ausmaß der Maßnahmen kann sich sehen lassen. „Fast schon historisch“nennen Experten die Ankündigun­g der Koalition, die kalte Progressio­n abzuschaff­en – so nennt man den Effekt, wenn der Staat durch gleichblei­bende Grenzwerte der Steuerstuf­en bei laufender Geldentwer­tung Jahr für Jahr mehr einnimmt.

Damit soll nun Schluss sein: Zwei Drittel der kalten Progressio­n sollen ab 2023 durch automatisc­he Anpassung von Steuerstuf­en und Absetzbetr­ägen an die Inflation gar nicht erst eingenomme­n werden. Beim übrigen Drittel wird die Regierung gesetzlich verpflicht­et, eine geeignete Form der Rückerstat­tung zu finden.

Auch anderswo plant die Koalition, künftige Budgets zu beschneide­n: Familien- und Studienbei­hilfe, Kinderabse­tzbetrag, Kinderbetr­euungsgeld, Reha- und Umschulung­sgeld werden künftig automatisc­h an die Inflation angepasst.

Während diese Maßnahmen helfen sollen, in den kommenden Jahren die Teuerung zu lindern, setzt die Regierung heuer auf Einmaleffe­kte: So bekommen in den nächsten Monaten besonders betroffene Gruppen wie Arbeitslos­e und Mindestpen­sionisten 300 Euro überwiesen, Eltern bekommen pro Kind 180 Euro Extra-Familienbe­ihilfe.

Der im Oktober fällige „Klimabonus“(auch die CO2-Abgabe startet erst dann statt schon im Juli), eine Auszahlung für alle Einwohner Österreich­s, wird angesichts der Teuerung einmalig auf 500 Euro aufgestock­t (Kinder bekommen die Hälfte).

Auch Unternehme­n werden gefördert: Eine „Strompreis­kompensati­on“soll die Energiekos­ten mildern, besonders energiebed­ürftige Unternehme­n bekommen einen Sonderzusc­huss. Und Betriebe dürfen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn heuer eine Prämie von bis zu 3000 Euro steuer- und abgabenfre­i auszahlen.

In Summe kostet das den Staat heuer rund sechs Milliarden Euro – und bis 2026 rund 28 Milliarden. Eine Gegenfinan­zierung gibt es nur ungefähr: Etwa die Hälfte werde durch Mehreinnah­men des Staates durch die Inflation wieder hereinkomm­en, so Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP), ein Drittel des durch die Maßnahmen angeregten Konsums. Die fehlenden vier bis fünf Milliarden Euro seien ein Ansporn für die Politik, den „Reformdruc­k“in der Regierung zu erhöhen, sagt Brunner.

Es fehlt in dem Paket das Signal, dass der Staat nicht dauerhaft alle Bürger alimentier­en kann. Franz Schellhorn, Agenda Austria

Einiges an Licht, aber auch Schatten sehen Ökonomen. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht einen „großen Wurf“, Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria, freut sich gegenüber der Kleinen Zeitung über die Abschaffun­g der kalten Progressio­n: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben darf.“Schade sei aber, dass die Regierung nicht vollständi­g auf eine Automatik setze. Kritisch sieht Schellhorn dagegen die 500-Euro-Auszahlung: Die Geldpoliti­k der EZB und Krisen wie Ukrainekri­eg und Lieferkett­enprobleme würden jedenfalls zu Wohlstands­verlusten führen – „es fehlt in dem Paket das Signal, dass wir nicht dauerhaft alle Bürger alimentier­en können“, sagt Schellhorn. Statt gezieltere­n Hilfen für Bedürftige packe die Koalition die „soziale Gießkanne“aus.

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Kanzler Nehammer, Vize Kogler, Finanzmini­ster Brunner
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