Geld für alle, Geld für immer?
Die türkis-grüne Koalition kündigt ein großes Paket gegen Teuerung an: Direktzahlungen, dauerhafte Absicherung von Steuern und Förderungen gegen Inflation. Experten sehen Licht und Schatten.
Konfrontiert mit der höchsten Geldentwertung seit Jahrzehnten, packt die türkis-grüne Koalition den Holzhammer aus. Am Dienstag hat sie ein Anti-Teuerungspaket vorgestellt, für das sie selber nur Superlative findet: „Das Volumen ist tatsächlich riesig. Das ist keine Übertreibung oder Zuspitzung, sondern faktisch“, befand Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), „echt groß, ein Riesenvolumen“, ergänzte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
Und tatsächlich: Das Ausmaß der Maßnahmen kann sich sehen lassen. „Fast schon historisch“nennen Experten die Ankündigung der Koalition, die kalte Progression abzuschaffen – so nennt man den Effekt, wenn der Staat durch gleichbleibende Grenzwerte der Steuerstufen bei laufender Geldentwertung Jahr für Jahr mehr einnimmt.
Damit soll nun Schluss sein: Zwei Drittel der kalten Progression sollen ab 2023 durch automatische Anpassung von Steuerstufen und Absetzbeträgen an die Inflation gar nicht erst eingenommen werden. Beim übrigen Drittel wird die Regierung gesetzlich verpflichtet, eine geeignete Form der Rückerstattung zu finden.
Auch anderswo plant die Koalition, künftige Budgets zu beschneiden: Familien- und Studienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Kinderbetreuungsgeld, Reha- und Umschulungsgeld werden künftig automatisch an die Inflation angepasst.
Während diese Maßnahmen helfen sollen, in den kommenden Jahren die Teuerung zu lindern, setzt die Regierung heuer auf Einmaleffekte: So bekommen in den nächsten Monaten besonders betroffene Gruppen wie Arbeitslose und Mindestpensionisten 300 Euro überwiesen, Eltern bekommen pro Kind 180 Euro Extra-Familienbeihilfe.
Der im Oktober fällige „Klimabonus“(auch die CO2-Abgabe startet erst dann statt schon im Juli), eine Auszahlung für alle Einwohner Österreichs, wird angesichts der Teuerung einmalig auf 500 Euro aufgestockt (Kinder bekommen die Hälfte).
Auch Unternehmen werden gefördert: Eine „Strompreiskompensation“soll die Energiekosten mildern, besonders energiebedürftige Unternehmen bekommen einen Sonderzuschuss. Und Betriebe dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heuer eine Prämie von bis zu 3000 Euro steuer- und abgabenfrei auszahlen.
In Summe kostet das den Staat heuer rund sechs Milliarden Euro – und bis 2026 rund 28 Milliarden. Eine Gegenfinanzierung gibt es nur ungefähr: Etwa die Hälfte werde durch Mehreinnahmen des Staates durch die Inflation wieder hereinkommen, so Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), ein Drittel des durch die Maßnahmen angeregten Konsums. Die fehlenden vier bis fünf Milliarden Euro seien ein Ansporn für die Politik, den „Reformdruck“in der Regierung zu erhöhen, sagt Brunner.
Es fehlt in dem Paket das Signal, dass der Staat nicht dauerhaft alle Bürger alimentieren kann. Franz Schellhorn, Agenda Austria
Einiges an Licht, aber auch Schatten sehen Ökonomen. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht einen „großen Wurf“, Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria, freut sich gegenüber der Kleinen Zeitung über die Abschaffung der kalten Progression: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben darf.“Schade sei aber, dass die Regierung nicht vollständig auf eine Automatik setze. Kritisch sieht Schellhorn dagegen die 500-Euro-Auszahlung: Die Geldpolitik der EZB und Krisen wie Ukrainekrieg und Lieferkettenprobleme würden jedenfalls zu Wohlstandsverlusten führen – „es fehlt in dem Paket das Signal, dass wir nicht dauerhaft alle Bürger alimentieren können“, sagt Schellhorn. Statt gezielteren Hilfen für Bedürftige packe die Koalition die „soziale Gießkanne“aus.