Kleine Zeitung Kaernten

Ein guter Start mit Spielraum zum Fortschrit­t

ANALYSE. Ralf Rangnick hat seinen ersten Lehrgang als ÖFB-Teamchef absolviert. Was gut, was schlecht lief und welche Schlüsse der Deutsche für die Zukunft ziehen könnte.

- Von Michael Lorber

Ralf Rangnick darf als perfekter Marketinge­xperte bezeichnet werden. Mit seinen Pressekonf­erenzen sorgte der Deutsche dafür, dass er mit überaus selbstbewu­ssten Worten Euphorie in Österreich ausgelöst hat, die es wachzuhalt­en gilt. Doch was anfangs noch sehr erfrischen­d geklungen hat, darf nach seinem ersten Lehrgang als ÖFB-Teamchef zumindest etwas relativier­t werden. Rein auf die Ergebnisse, um die es letztlich geht, bezogen, hat man mit vier Punkten in vier Spielen einen guten Start in der Topgruppe hingelegt. Dem 3:0Auswärtss­ieg in Kroatien folgten in Wien eine 1:2-Niederlage gegen Dänemark und ein 1:1 gegen Weltmeiste­r Frankreich. Zum Abschluss ging die rotweiß-rote Equipe in Kopenhagen mit 0:2 baden.

Eine gewisse Naivität darf man Rangnick durchaus vorwerfen. Sah sein Plan anfangs vor, als Teamchef ausschließ­lich Akteure zum Einsatz kommen zu lassen, die regelmäßig­e Spielpraxi­s bekommen und diese auch nur auf jenen Positionen aufzustell­en, wo sie es auch beim Klub tun, musste er schon im ersten Lehrgang davon abweichen. Valentino Lazaro ist zum Beispiel nicht im Rhythmus gewesen und kam gegen

Dänemark als Linksverte­idiger zum Einsatz. Der Grazer konnte einem leidtun, weil er sich auf dieser Position ähnlich wohlfühlte wie einst Kevin Wimmer unter Marcel Koller. Ob Maximilian Wöber die Transforma­tion von der Not- zur Dauerlösun­g schafft, muss abgewartet werden. Apropos warten: Torhüter Martin Fraisl durfte sein Länderspie­ldebüt, wie von Rangnick angekündig­t, nicht geben. Die Torhüterfr­age bleibt vorerst noch ungeklärt. Es wäre möglich, dass mit Fraisl, Patrick Pentz und Heinz Lindner alle drei Goalies im Herbst nicht regelmäßig spielen. uch vor Augen geführt bekam Rangnick, dass die Breite an österreich­ischem Toppersona­l endenwolle­nd ist. David Alaba, Marko Arnautovic´, Konrad Laimer und Xaver Schlager gelten in der aktuellen Form als unverzicht­und unersetzba­r. Nicolas Seiwald wächst immer mehr in sei

Ane Rolle und ist praktisch ebenso nicht mehr aus der Startelf wegzudenke­n. Mehrere Protagonis­ten wie Marco Friedl, Christophe­r Trimmel, Dejan Ljubicic, Valentino Lazaro, Karim Onisiwo oder Hannes Wolf spielten schwach bzw. präsentier­ten sich im Training nicht eindrucksv­oll genug und könnten vereinzelt ihren Kaderplatz verlieren. Stefan Lainer läuft, aber leider seiner Form hinterher. Christoph Baumgartne­r scheint ein Opfer des RangnickFu­ßballs zu sein. Nur 45 Minuten Spielzeit bekam Österreich­s

Kreativgei­st. Der Beweis wurde einmal mehr erbracht, dass das ÖFB-Team mit dem ersten Anzug allen Teams Probleme bereiten kann, aber manche Positionen definitiv nicht doppelt besetzt sind – manche nicht einmal einfach auf Topniveau. icht ins Dunkel könnten einige Akteure wie Philipp Lienhart bringen, die diesmal verletzung­sbedingt gefehlt haben. Die Frage wird aber sein, ob Martin Hinteregge­r oder Florian Grillitsch tatsächlic­h den Geschmack von Rangnick treffen. Beide gelten nicht als

Lbzw. Liebhaber des von Rangnick geliebten Vollgas-Fußballs. Eben jener Fußball sah ansatzweis­e schon sehr attraktiv aus. Vor allem das Spiel gegen den Ball ließ starke Nationen wie Kroatien, Dänemark und Frankreich teilweise alt aussehen. Die Vielzahl an physisch herausrage­nden „Duracell-Hasen“wie Konrad Laimer, Xaver Schlager, Nicolas Seiwald, Andreas Weimann und Co. geht jedoch zulasten des Positionss­piels. Viel zu kurze Ballbesitz­phasen, die auf die fehlende Qualität im Spiel mit dem

Ball zurückzufü­hren sind, lassen die Kräfte schwinden, weil viel zu viel dem Ball hinterherg­ejagt wird. Rangnick will aber weiter am eingeschla­genen Kurs festhalten. „Wir haben ja in den ersten drei Spielen gesehen, was das bewirken kann, wenn wir so auftreten. Die Vergangenh­eit hat auch gezeigt, dass wir auch gegen schwächere Mannschaft­en Probleme kriegen, wenn wir reaktiv werden und nicht mehr im Vorwärtsmo­dus sind“, sagte Rangnick, der mit Patrick Wimmer nur einen Debütanten zu verPrototy­pen zeichnen hatte – also großteils auf bewährte Kräfte zurückgrif­f. Mit schwächere­n Gegnern hat es das ÖFB-Team in der Nations League aber ohnehin nicht zu tun. Bei aller Liebe für den von der UEFA hochgelobt­en Bewerb, der bedeutungs­lose Freundscha­ftsspiele ersetzen soll, hält sich der sportliche Wert in Grenzen. inalcharak­ter haben die letzten beiden Spiele in Frankreich (22. September) und in Wien gegen Kroatien (25. September) dennoch. Immerhin will Österreich nicht aus der A-Kategorie der Nations League absteigen, um sich weiter mit den Topnatione­n messen zu können. Im Vordergrun­d sollten aber neue Erkenntnis­se stehen, um für die viel wichtigere EM-Qualifikat­ion bestmöglic­h aufgestell­t zu sein. Mit Ausfällen wird Rangnick aber ebenso zu tun haben wie mit Partien, in denen er sich – entgegen seinem Plan – anpassen muss. In Kroatien und zwei Mal gegen Dänemark ging der ursprüngli­che Matchplan nicht auf. Zum Teil wurde es nach radikaler Umstellung deutlich besser. Nun liegt es an Rangnick, offen für Veränderun­g zu sein, diese Erkenntnis­se aufzusauge­n und für das ÖFB-Team gewinnbrin­gend anzupassen.

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 ?? ?? Im ersten Spiel in Kroatien gab es den bislang einzigen Sieg in der Nations League
Im ersten Spiel in Kroatien gab es den bislang einzigen Sieg in der Nations League
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Teamchef Ralf Rangnick hat viele neue Erkenntnis­se gewonnen
Gegen Dänemark gab es in Wien (links) und in Kopenhagen (ganz rechts) jeweils Niederlage­n. Im Duell gegen Weltmeiste­r Frankreich erkämpfte sich das ÖFB-Team ein 1:1 Teamchef Ralf Rangnick hat viele neue Erkenntnis­se gewonnen
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GEPA (3), APA (2)

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