Ein guter Start mit Spielraum zum Fortschritt
ANALYSE. Ralf Rangnick hat seinen ersten Lehrgang als ÖFB-Teamchef absolviert. Was gut, was schlecht lief und welche Schlüsse der Deutsche für die Zukunft ziehen könnte.
Ralf Rangnick darf als perfekter Marketingexperte bezeichnet werden. Mit seinen Pressekonferenzen sorgte der Deutsche dafür, dass er mit überaus selbstbewussten Worten Euphorie in Österreich ausgelöst hat, die es wachzuhalten gilt. Doch was anfangs noch sehr erfrischend geklungen hat, darf nach seinem ersten Lehrgang als ÖFB-Teamchef zumindest etwas relativiert werden. Rein auf die Ergebnisse, um die es letztlich geht, bezogen, hat man mit vier Punkten in vier Spielen einen guten Start in der Topgruppe hingelegt. Dem 3:0Auswärtssieg in Kroatien folgten in Wien eine 1:2-Niederlage gegen Dänemark und ein 1:1 gegen Weltmeister Frankreich. Zum Abschluss ging die rotweiß-rote Equipe in Kopenhagen mit 0:2 baden.
Eine gewisse Naivität darf man Rangnick durchaus vorwerfen. Sah sein Plan anfangs vor, als Teamchef ausschließlich Akteure zum Einsatz kommen zu lassen, die regelmäßige Spielpraxis bekommen und diese auch nur auf jenen Positionen aufzustellen, wo sie es auch beim Klub tun, musste er schon im ersten Lehrgang davon abweichen. Valentino Lazaro ist zum Beispiel nicht im Rhythmus gewesen und kam gegen
Dänemark als Linksverteidiger zum Einsatz. Der Grazer konnte einem leidtun, weil er sich auf dieser Position ähnlich wohlfühlte wie einst Kevin Wimmer unter Marcel Koller. Ob Maximilian Wöber die Transformation von der Not- zur Dauerlösung schafft, muss abgewartet werden. Apropos warten: Torhüter Martin Fraisl durfte sein Länderspieldebüt, wie von Rangnick angekündigt, nicht geben. Die Torhüterfrage bleibt vorerst noch ungeklärt. Es wäre möglich, dass mit Fraisl, Patrick Pentz und Heinz Lindner alle drei Goalies im Herbst nicht regelmäßig spielen. uch vor Augen geführt bekam Rangnick, dass die Breite an österreichischem Toppersonal endenwollend ist. David Alaba, Marko Arnautovic´, Konrad Laimer und Xaver Schlager gelten in der aktuellen Form als unverzichtund unersetzbar. Nicolas Seiwald wächst immer mehr in sei
Ane Rolle und ist praktisch ebenso nicht mehr aus der Startelf wegzudenken. Mehrere Protagonisten wie Marco Friedl, Christopher Trimmel, Dejan Ljubicic, Valentino Lazaro, Karim Onisiwo oder Hannes Wolf spielten schwach bzw. präsentierten sich im Training nicht eindrucksvoll genug und könnten vereinzelt ihren Kaderplatz verlieren. Stefan Lainer läuft, aber leider seiner Form hinterher. Christoph Baumgartner scheint ein Opfer des RangnickFußballs zu sein. Nur 45 Minuten Spielzeit bekam Österreichs
Kreativgeist. Der Beweis wurde einmal mehr erbracht, dass das ÖFB-Team mit dem ersten Anzug allen Teams Probleme bereiten kann, aber manche Positionen definitiv nicht doppelt besetzt sind – manche nicht einmal einfach auf Topniveau. icht ins Dunkel könnten einige Akteure wie Philipp Lienhart bringen, die diesmal verletzungsbedingt gefehlt haben. Die Frage wird aber sein, ob Martin Hinteregger oder Florian Grillitsch tatsächlich den Geschmack von Rangnick treffen. Beide gelten nicht als
Lbzw. Liebhaber des von Rangnick geliebten Vollgas-Fußballs. Eben jener Fußball sah ansatzweise schon sehr attraktiv aus. Vor allem das Spiel gegen den Ball ließ starke Nationen wie Kroatien, Dänemark und Frankreich teilweise alt aussehen. Die Vielzahl an physisch herausragenden „Duracell-Hasen“wie Konrad Laimer, Xaver Schlager, Nicolas Seiwald, Andreas Weimann und Co. geht jedoch zulasten des Positionsspiels. Viel zu kurze Ballbesitzphasen, die auf die fehlende Qualität im Spiel mit dem
Ball zurückzuführen sind, lassen die Kräfte schwinden, weil viel zu viel dem Ball hinterhergejagt wird. Rangnick will aber weiter am eingeschlagenen Kurs festhalten. „Wir haben ja in den ersten drei Spielen gesehen, was das bewirken kann, wenn wir so auftreten. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass wir auch gegen schwächere Mannschaften Probleme kriegen, wenn wir reaktiv werden und nicht mehr im Vorwärtsmodus sind“, sagte Rangnick, der mit Patrick Wimmer nur einen Debütanten zu verPrototypen zeichnen hatte – also großteils auf bewährte Kräfte zurückgriff. Mit schwächeren Gegnern hat es das ÖFB-Team in der Nations League aber ohnehin nicht zu tun. Bei aller Liebe für den von der UEFA hochgelobten Bewerb, der bedeutungslose Freundschaftsspiele ersetzen soll, hält sich der sportliche Wert in Grenzen. inalcharakter haben die letzten beiden Spiele in Frankreich (22. September) und in Wien gegen Kroatien (25. September) dennoch. Immerhin will Österreich nicht aus der A-Kategorie der Nations League absteigen, um sich weiter mit den Topnationen messen zu können. Im Vordergrund sollten aber neue Erkenntnisse stehen, um für die viel wichtigere EM-Qualifikation bestmöglich aufgestellt zu sein. Mit Ausfällen wird Rangnick aber ebenso zu tun haben wie mit Partien, in denen er sich – entgegen seinem Plan – anpassen muss. In Kroatien und zwei Mal gegen Dänemark ging der ursprüngliche Matchplan nicht auf. Zum Teil wurde es nach radikaler Umstellung deutlich besser. Nun liegt es an Rangnick, offen für Veränderung zu sein, diese Erkenntnisse aufzusaugen und für das ÖFB-Team gewinnbringend anzupassen.
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