Kleine Zeitung Kaernten

INTERVIEW.

Die türkis-grüne Koalition hat ein Paket gegen die Teuerung vorgelegt. Ob es das letzte sein wird, kann Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) nicht sagen; „es kann jeden Moment eine Granate in eine Gasleitung einschlage­n“.

- Von Georg Renner

Herr Bundeskanz­ler, wann ist jemand für Sie wohlhabend? KARL NEHAMMER: Grundsätzl­ich orientiere­n wir uns bei unseren Hilfsmaßna­hmen am Medianeink­ommen – aber auch daran, möglichst geringen Aufwand bei der Abwicklung zu verursache­n. Zum Beispiel haben wir uns gefragt, auf welche Systematik können wir aufsetzen? Wer jetzt Familienbe­ihilfe bezieht, bekommt im August 180 Euro mehr, wer jetzt den Familienbo­nus erhält, erhält den erhöhten Betrag.

Überförder­n Sie damit nicht Leute, die es sich leisten könnten, die Teuerung selbst abzufedern? Ist es wirklich Aufgabe des Staates, alle davor zu schützen?

Das ist eine philosophi­sche Frage.

Eine politische.

Die Teuerung ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen und für viele spürbar. Dort muss ich also auch ansetzen, wenn ich als Staat das Ziel habe, das Konsumverh­alten weiter auf hohem Niveau zu halten, um dadurch Massensteu­ern als Einnahmequ­elle gesichert zu wissen für die Gegenfinan­zierung all dieser Maßnahmen. Deswegen ist es angebracht, dass man breiter fördert – aber wir haben starken Fokus auf einkommens­schwächere Gruppen gelegt.

Sie sagen: Der Staat gibt Geld aus, damit die Leute weiter konsumiere­n, damit der Staat wieder genug Einnahmen hat, um Geld zu verteilen. Ist das nicht der Abschied von ÖVP-Prinzipien wie Eigenveran­twortung und Leistung?

Das ist eine total berechtigt­e Frage, sie ist nur aus der aktuellen Logik nicht eindeutig politisch zu beantworte­n. Die Pandemie war ein gravierend­er Einschnitt und hat dazu geführt, dass es ohne staatliche Hilfe unglaublic­he Verwerfung­en gegeben hätte. Jetzt haben wir eine noch größere Krise, durch einen Krieg in Europa, durch Inflation, durch Steigerung der Energiekos­ten ungeahnten Ausmaßes. Deshalb braucht es wieder Maßnahmen.

Kommen wir aus diesem Zyklus jemals wieder heraus?

Ich glaube ja, aber erst, wenn sich nicht eine Krise an die nächste reiht. Wir sehen jetzt schon wieder steigende Infektions­zahlen, wir haben einen Invasionsk­rieg auf europäisch­em Boden und es droht nach wie vor ein Dritter Weltkrieg. Wir haben Probleme bei der Ernährungs­sicherheit für große Teile der Welt, was wieder zu einer Destabilis­ierung Nordafrika­s und auch Europas durch irreguläre Migration führen kann. Man wird gar nicht fertig, die Bedrohungs­szenarien an sich aufzuzähle­n, daher ist es jetzt nicht der Zeitpunkt daran zu zweifeln, dass wir den Menschen in dieser wirtschaft­lichen Situation helfen.

Lebensmitt­elpreise deckeln? Es gibt keine Denkverbot­e, nur die Frage, was wirkt und was heben wir für einen späteren Zeitpunkt auf.

Eine Sorge ist, dass die Stimmung im Land kippt, wenn die Teuerung noch stärker durchschlä­gt. Besteht nicht die Gefahr, dass Ihr über Monate gestaffelt­es Paket schnell wieder verpufft?

Nein, dazu gibt es ja die direkten Auszahlung­en: Klimabonus plus Geld-zurück-Bonus sind für zwei Personen mit einem Kind 1250 Euro. Das ist schon echtes Geld. Und es wird direkt überwiesen. Diese Maßnahmen sind dann schnell spürbar. Man muss keinen Antrag stellen. Dazu kommen erhöhte Familienbe­ihilfe, 500 Euro Familienbo­nus mehr, Geld für sozial schwache Gruppen, zusätzlich zu vier Milliarden Euro, die in diesem Jahr schon geleistet wurden – Energiebon­us, Aussetzung der Ökostrom-Pauschale, ausgesetzt­e Energieabg­abe. Stimmt, es ist keine spektakulä­re Summe auf einmal, aber die Summe ist hoch. Bis zu 3000 Euro für eine Familie mit zwei Kindern.

Es wird sehr stark an der Kommunikat­ion der Maßnahmen liegen. Die Zapfsäule wird da immer der stärkere Eindruck sein, denn die sehe ich drei, vier Mal im Monat. Die Entlastung­en sind viel schwierige­r wahrzunehm­en. Es ist eine Frage, wie man Hilfen umsetzt. Manche Länder haben sich stattdesse­n entschloss­en, Massensteu­ern zu senken – zum Beispiel bei der Mineralöls­teuer in Deutschlan­d. Das hat sich dort nicht bewährt, der Benzinprei­s ist so hoch wie zuvor, es wurden Milliarden an Steuergeld verbrannt, da gibt es dann eine Doppel-Frustratio­n. Andere Länder versuchen es mit Preisdecke­ln, mit der Folge, dass es enorm budgetbela­stend ist, denn ich muss die Differenz der Mineralölf­irmen bezahlen,

 ?? ?? man vom Staat Geld, dazwischen merkt man bei jedem Einkauf, bei jedem Mal tanken die Teuerung. Können Sie das abfangen?
man vom Staat Geld, dazwischen merkt man bei jedem Einkauf, bei jedem Mal tanken die Teuerung. Können Sie das abfangen?

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