Leben ist Kunst ist Leben
In einem Ottakringer Fuhrwerkerhaus ergänzen sich Epochen und Stile, Urbanes und Ländliches.
Am Anfang stand die Suche nach einem Atelier. Sie führte Wendelin Pressl in den 16. Wiener Bezirk, nach Ottakring. Erschwinglich angeboten waren in einem einstöckigen Haus die ebenerdigen Räume, die einst Stallungen und „Garagen“für Fuhrwerke waren. Ein vor allem in der (einstigen) Wiener Vorstadt gar nicht seltener Typus: das Fuhrwerkerhaus. Der aus der Steiermark stammende Künstler griff zu.
Tritt man heute durch das große Tor, gelangt man in einen kleinen Hof, in dem Vielerlei blüht und gedeiht – Gewürzpflanzen, Rosen, Feigen und mehr. „Sogar am Wochenende ist es vollkommen ruhig hier drinnen“, sagen Pressl und seine Partnerin, die Kunsthistorikerin Juliane Feldhoffer. Für stets erwünschtes Leben in der Oase sorgt Sohn Kaspar (5), der sich in einem Dachzimmer eingerichtet hat, aber auch in den restlichen Räumen, die größtenteils zu einem einzigen offenen Wohnbereich verschmelzen, sichtlich zuhause ist.
Das war nicht immer so. Anfänglich war es das in mühsamer Arbeit wohnbar gemachte
in dem sich Eltern und Kind einrichteten. Dann ergab sich die Chance, einen Teil des ersten Stocks zu erwerben: „Das war natürlich ideal.“Und natürlich erneut mit viel Arbeit verbunden. Besonders knifflig: die Frage der Verbindung der beiden Ebenen. Und wie es so ist: Die nächstliegende Lösung wurde lange nicht gesehen, dann aber doch entdeckt und mit einfachsten Mitteln elegant umgesetzt. Eine Treppe.
Wobei „einfach“eine relative Klassifizierung ist. Die Pläne zeichnete Pressl selbst, die Metallkonstruktion wurde danach von einer nahen Schlosserei umgesetzt, der Einbau mithilfe von Freunden bewerkstelligt. Die Treppe, die in den ersten Stock führt, setzt sich dort auf einer Galerie fort. Auf dieser liegen sich das Kinderzimmer und das Elternschlafzimmer gegenüber. Vom ersten Stock aus ist auch ein malerischer Balkon begehbar, der je nach Blickrichtung den bereits angesprochenen Kippeffekt von ländlichem und urbanem Flair ermöglicht.
Handgemacht, beziehungsweise handverlesen ist auch die Einrichtung. „Meinen Homeoffice-Schreibtisch hat Wendelin entworfen und gebaut“, greift Juliane das klappbare Möbel als ein Beispiel für etliche beeindruckende Eigenbau-Stücke heraus. Der zweite Schwerpunkt sind Vintage-Möbel, die Juliane mit Leidenschaft sucht und findet. Selbstverständlich mischen sich hier die Epochen und Stile, nicht zuletzt wiederum das Ländliche und das Städtische.
Diese Art der Möblierung habe den schönen Nebeneffekt, „dass es praktisch zu jedem Stück eine Geschichte gibt“. Ein Sideboard etwa schmückte einst die Wiener US-Botschaft, ein Schrank stand in einem Lugner-Bau. Eine Tür wurde in Ungarn gefunden: „Es war schon ein Wunder, dass sie den TransErdgeschoß, port überstanden hat“, erinnert man sich. Nach behutsamer Restaurierung ist sie nun die keinesfalls zerbrechlich wirkende Verbindung zwischen Vorzimmer und Hof. Andere, bereits für den Sperrmüll-Container bestimmte Türen, fügen sich ihrerseits so ins Umfeld, als seien sie immer schon hier gewesen.
Zur Straße hin verfügt das Atelier über einen Ausstellungsraum mit Schaufenster, in dem der Träger des steirischen Landeskunstpreises 2016 und vieler anderer Auszeichnungen immer wieder Arbeiten präsentiert. Ein weiterer Bonus eines Kosmos, in dem Leben und Arbeit in spürbar höchst anregender Symbiose verschmelzen.