Quereinsteiger in der Pole-Position des ÖGB
René Willegger (52) ist der neue Landesvorsitzende der Kärntner Gewerkschaft. In seine Rolle hat der erfahrene Betriebsrat schon gefunden, nur die Anrede „Herr Präsident“ist ihm fremd.
Vom Lehrling zum Präsidenten: René Willeggers Berufsweg war so weder vorgezeichnet noch von ihm angestrebt. Aber von „einfach so passiert“kann jedoch keine Rede sein: Der 52-jährige Steuerberger empfahl sich mit seiner von vielen Seiten gelobten Tätigkeit als Betriebsrat bei Fundermax für höhere Ränge im Kärntner ÖGB. Dort legte er einen Raketenstart hin.
Im straff organisierten Gewerkschaftsgefüge wirkt der entspannte Neo-Chef wie ein bunter Hund. Seine politischen Ämter beschränken sich bisher auf die Position des SPÖ-Ortsparteiobmanns in seiner Heimatgemeinde Steuerberg. Vom „Abteilungsleiter plötzlich Geschäftsleiter“brachte Willegger seinen rasanten Aufstieg schmunzelnd auf den Punkt. Das Lächeln scheint sein Begleiter zu sein, mürrisch und polternd zu sein, ist nicht seine Art. Die ersten seien „extrem spannend“gewesen, blickt er zurück auf die Zeit nach seiner Kür zum Landesvorsitzenden des Kärntner ÖGB Anfang Mai. „Ich bin in die neue Aufgabe schon hineingewachsen. Aber es ist noch witzig, wenn man als Herr Präsident angeredet wird, dabei ist man mit 52 Jahren ja noch jung“, sagt Willegger. Er betont, dass er „nie aufgezeigt“habe und erklärte, „ich will etwas werden“. Noch befindet sich der Vater dreier Töchter (Magdalena, Julia und Ayleen), der in Spittal zur Welt kam und in Gmünd und Feldkirchen aufgewachsen ist, in der persönlichen Vorstellungsrunde. Quasi zum Aufwärmen, denn im Haus war er bis vor Kurzem noch ein Unbekannter.
Auch das Kennenlernen mit dem „Chef“, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, steht noch bevor, ebenso jenes seines Gegenübers als Sozialpartner in Kärnten, WKKPräsident Jürgen Mandl. SeiRolle versteht Willegger, dem das Poltern fremd ist, durch und durch kooperativ: „Ich nehme für mich nicht heraus, der Allwissende zu sein“, bekennt der Teamspieler freimütig. „Wir haben Spezialisten. Wenn mein Input gefragt ist, werde ich ihn geben.“Alleingänge, betont Willegger, seien nicht sein Ding. Schon vor seiner Kür – mit 94 Prozent Zustimmung bei der geheimen Wahl „kann man zufrieden sein“– verriet der Nachfolger von LangzeitPräsident Hermann Lipitsch sein Amtsverständnis: „Es gibt keine Ein-Mann-Show. Ich vertrete meine Meinung auch nicht mit dem Megafon.“Streiks sind für den obersten Vertreter von rund 71.000 Kärntner Gewerkschaftsmitgliedern nur allerletztes Mittel, „wenn es unumgänglich ist.“
Doch scharfe Proteste könnten schon bei den kommenden Lohnverhandlungen Konjunktur haben, denn dieWochen se werden angesichts der Teuerung kein Spaziergang sein. „Die Unterkante bei den Verhandlungen ist die Inflationsrate. Niemand kann sagen, wir würden das überreizen.“Die Bedeutung der Mitarbeiter sei generell im Steigen begriffen: „Das Humankapital bekommt jetzt jene Wertigkeit, die es schon immer haben sollte.“
Willeggers persönliches „Humankapital“ist für dieses Jahr bereits verplant, seine
ne persönliche Work-LifeBalance kommt in diesem besonderen Jahr also wohl eher zu kurz. Darunter könnte der Auslauf für sein 150 PS starkes „Naked Bike“leiden. Zumindest an diesem Wochenende steht eine Ausfahrt mit Freunden an den Gardasee am Programm. „Man kann damit auch gemütlich fahren, muss nicht heizen“, erklärt er lächelnd. Erstmals will der Neo-ÖGB-Chef heuer den Glockner erklimmen. Noch steht die Besteigung – „ein Traum von Partnerin Gaby“– auf dem Programm. „Einmal im Leben sollte jeder Kärntner am höchsten Berg Österreichs gestanden sein.“Für Entspannung sorgen Spaziergänge mit dem jungen Hund Aaron, einem Lagotto Romagnolo.
Dass Willegger auf Kontinuität setzt, verwundert nicht. „Ich werde den ÖGB Kärnten nicht auf den Kopf stellen“, stellt er klar. Persönlich ist er hingegen einer, der nie stillsteht: „Ich bin alle Ausbildungsmöglichkeiten durchgegangen, die es gab, das hört nicht auf.“Zuletzt absolvierte er eine Weiterbildung zum akademischen Sozialmanager. „Sehr hilfreich für meine Tätigkeit als Betriebsrat“, bekennt Willegger. „Als Betriebsrat muss man viel zuhören können, es gibt immer mehrere Seiten. Ich bin der Psychologe in der Firma.“
Nach wie vor arbeitet der Steuerberger bei Fundermax in St. Veit als Zentralbetriebsrat, eine Aufgabe, die er seit 2006 ausübt. Ein hauptberuflicher Wechsel ins Büro des Vorsitzenden in der ÖGB-Zentrale in der Klagenfurter Bahnhofstraße ist kein Thema. Nicht zuletzt, weil ein Landesvorsitzender des ÖGB Kärnten eine monatliche Aufwandsentschädigung von überschaubaren 230,58 Euro brutto pro Monat erhält.