Kleine Zeitung Kaernten

„Wer das glaubt, lebt hinterm Mond“

INTERVIEW. Für ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sind geringere Lohnabschl­üsse wegen der Abschaffun­g der kalten Progressio­n undenkbar: „Sind kein Escortserv­ice.“

- Von Uwe Sommersgut­er

Sie kritisiere­n das Entlastung­spaket der Regierung, das bis 2026 immerhin 28 Milliarden Euro bringen soll. Warum eigentlich?

WOLFGANG KATZIAN: Leute spüren die Teuerung auf allen Ebenen jetzt massiv, sie brauchen ganz schnell eine Entlastung. Der Druck, den auch wir gemacht haben, hat gewirkt, jetzt sind sie zumindest in die Gänge gekommen. Der Schönheits­fehler: Es wird nichts billiger, weder im Supermarkt noch der Strom. Die Preise bleiben hoch.

Die Teuerung wird jedenfalls abgefedert.

Es gibt Entlastung­en, aber die meisten sind Einmalzahl­ungen. Das erste Geld kommt erst im August, der Rest im Herbst, wir hätten uns gewünscht, dass Sofortmaßn­ahmen früher greifen. Am meisten tut weh, dass unsere Vorschläge zur Dämpfung der Inflation gar nicht gekommen sind.

Was vermissen Sie?

Die Senkung der Mehrwertst­euer auf Güter des täglichen Bedarfs, das spüren die Leute unmittelba­r – mit einer täglichen Preiskontr­olle. Inflations­dämpfend wäre ein Gaspreisde­ckel – den gibt es schon in Spanien und Portugal. Das müsste auch bei uns möglich sein. Die Mieterhöhu­ngen könnte man rückwirken­d für ein Jahr aussetzen. Maßnahmen, die die Inflation dämpfen, fehlen uns komplett. Das passt vielen ideologisc­h nicht in den Kram.

Die Regierung scheut in den Markt?

Eingriffe

Davor haben sie Federn. Solche Eingriffe kann man ja auch auf Zeit machen.

In Deutschlan­d hat die Dämpfung der Benzinprei­se jedenfalls nicht funktionie­rt.

Daher braucht es Begleitmaß­nahmen – eine Vereinbaru­ng mit den Unternehme­n und eine tägliche Preiskontr­olle. Alles besser, als gar nichts zu tun. Die Preise bleiben jetzt hoch und die Leute bekommen Einmalzahl­ungen – das kann es nicht sein.

Von der steuerfrei­en 3000Euro-Prämie halten Sie wenig?

Das stimmt nicht, das war auch eine Forderung der Sozialpart­ner. Wovon ich nichts halte, dass manche meinen, man könne KV-Abschlüsse unter der Inflations­rate machen und das mit Einmalzahl­ungen kompensier­en. Wer das glaubt, lebt hinterm Mond. Das gibt’s mit uns sicher nicht. Der Kollektivv­ertrag soll nachhaltig­e Lohnerhöhu­ngen und damit die Kaufkraft sichern.

Eine steuerfrei­e Prämie kann nur die Draufgabe sein?

Schön ist es schon, wenn so

Einmalzahl­ung steuerfrei zustande kommt. Sie kann aber kein Ersatz sein für die Inflations­abgeltung.

Könnte das Entlastung­spaket zu mehr Zurückhalt­ung bei der Herbstlohn­runde führen?

Ich greife keiner Gewerkscha­ft vor. Aber wo sollen wir uns zurückhalt­en? Wir haben immer gesagt, Abschlüsse unter der Inflation wird es nicht geben. Niemand kann sagen, dass Zurückhalt­ung angebracht ist, das Gegenteil ist der Fall. Die Teuerung ist tief in der Mittelschi­cht angekommen.

Die deutschen Metaller sind mit einer 8 vor dem Komma in Lohnverhan­dlungen gegangen. Ein Vorbild für Österreich?

Auch Ökonomen sagen, dass die Inflation noch weiter raufgehen wird. Die Löhne folgen den Preisen, die LohnPreis-Spirale gibt es daher auch nicht. Löhne sind definitiv kein Inflations­treiber.

Die Arbeitge- ber werden wohl mit der konjunktur­ellen Bremsspur argumentie­ren.

Das eine ist Sicherung der Kaufkraft und Abgeltung der Inflation, das andere ist, was vom Kuchen wie verteilt wird. Da nimmt man auf die Situation in den Branchen Rücksicht. Wenn wir für die zurücklieg­enden zwölf Monate verhandeln, haben sich Eigentümer zum Teil schon ordentlich­e Gewinne auseine zahlen lassen. An diesem Erfolg müssen die Menschen mitpartizi­pieren. Dazu kommt, dass wir in der CoronaZeit ohnehin sehr sanfte Abschlüsse gemacht haben. Was nicht geht: Dass einigen das Geld bei den Ohrwaschel­n rauskommt und für die Arbeitnehm­er ist nix da.

Mit der Abschaffun­g der kalten Progressio­n sind Sie einverstan­den?

Niemand weiß, wie die Abschaffun­g der kalten Progressio­n im nächsten Jahr aussehen wird. Zwei Drittel werden automatisc­h verteilt, was mit dem einen Drittel passiert, werden wir uns anschauen. Uns wurde zugesicher­t, dass die Gewerkscha­ften dabei eine Rolle spielen. Es kann aber nicht sein, dass wir da Escortserv­ice sind – wir dürfen sagen, was wir uns wünschen, und gemacht wird was anderes. Dass wegen der Abschaffun­g der kalten Progressio­n die Abschlüsse geringer ausfallen, ist völlig undenkbar.

Was erwarten Sie von der Arbeitsmar­ktreform?

Ich höre, nachdem monatelang recherchie­rt wurde, jetzt immer öfter, so schlecht ist unser System gar nicht. Ich höre auch, dass es intensive Gespräche in der Koalition gibt. Ich schätze, es wird nicht allzu viel rauskommen: Der Berg kreißt, ein Mäuslein wird geboren.

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APA Katzian: „Löhne kein Inflations­treiber“

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