Sprühend wie Wunderkerzen
Eine Liebeserklärung an das Leben und die Poesie: Irene Solà bringt sogar die Berge zum Tanzen.
Völlig vermessen wäre es zu behaupten, diese Autorin habe den magischen Realismus neu erfunden. Zu neuem, intensiven Dasein verholfen hat sie ihm aber schon. Völlig mühelos pendelt Irene Solà in „Singe ich, tanzen die Berge“zwischen Realität und Fiktion und Raum und Zeit.
Der in einigen Dörfern auf der spanischen Seite der Pyrenäen angesiedelte Roman erhielt 2020 den Europäischen Literaturpreis.
Es dauerte ein Weilchen, ehe er nun auch in deutschsprachiger Version vorliegt. Das hat vor allem damit zu tun, dass Spanien heuer das Gastland bei der Frankfurter Buchmesse ist. Daher wollte man auch diesen
Schatz noch ein wenig hüten.
Der Roman ist eine wunderbare Liebeserklärung an das Leben in all seinen Daseinsformen. Bären und Rehböcke kommen zu Wort, und die tanzenden
Berge lächeln bloß milde über die winzigen Zweibeiner, die von sich behaupten, die Krone der Schöpfung zu sein.
Aber Irene Solà will keineswegs nur in eine andere, schönere Welt entführen, sie geizt auch nicht mit Grausamkeiten und Tragödien. Gleich zu Beginn des Romans, der sich aufspaltet in etliche Episoden und Legenden quer durch die Jahrhunderte, wird ein Bauer, der in seiner Freizeit feinsinnige Gedichte verfasst, von einem Blitz erschlagen. Eine Gewitterwolke schildert die dramatischen Geschehnisse.
In ihrem Panoptikum führt die katalanische Autorin zurück in die Zeit der Hexenjagden, sie taucht ein in den Spanischen Bürgerkrieg, aber letztlich triumphiert stets die
Irene Solà.
Singe ich, tanzen die Berge. Trabanten, 208 Seiten, 20,90 Euro.
Zuversicht. Am Ende ihres magischen und archaischen Werkes erzählt Irene Solà von Dingen und Ereignissen, die aufflammen wie Wunderkerzen. Ihr Buch ist der beste Beleg dafür. Die Poesie tanzt Flamenco.