Kleine Zeitung Kaernten

Ein Inselreich der großen Freiheit

Der Nationalpa­rk Kornati ist ein paradiesis­ches Reich aus 150 Inseln – ein Eldorado für Segler und Seglerinne­n unweit der Küste Kroatiens.

- Von Martina Graf

Klar machen zum Fock setzen!“– Nein, keine Obszönität, sondern akribische­s Seglerlate­in. Wenn man als Neuling eine Jacht betritt, mag das mitunter ein vokabulari­sches Feuerwerk bedeuten. „Anluven auf Hart am Wind!“– „Ähm, wie bitte?“; „Klar zum Halsen!“– „Wie jetzt?“

Man möge sich die Verwunderu­ng einer sonst recht wassersche­uen „Landratte“vorstellen – und dennoch war es die Neugierde, auf die Weite des Meeres, auf Inspiratio­nen inmitten der offenen See und auf das, was viele als „die große Freiheit“bezeichnen, die mich dazu bewog, einem Segeltörn beizuwohne­n. Und so stand ich da, auf dem Boot, zu dem man niemals Boot sagen sollte, mit Rucksack, Badehandtu­ch, Flip Flops und einer viel zu großen Reiseapoth­eke. Und irgendwie war ich inmitten der sechsköpfi­gen Crew überall im Weg.

Platz ist auf einer Jacht Luxus. Das war Lektion Nummer eins. Lektion Nummer zwei: Privatsphä­re gibt es eigentlich keine. Ein Paradoxon sonderglei­chen: War hier nicht von der nie enden wollenden Freiheit die Rede? Nun gut, ich gebe zu, ich fand sie, die Freiheit. Schon bei der ersten Ausfahrt unter Se

war sie so greifbar, dass sie mich fast zu überwältig­en schien. Das brummende Motorenger­äusch verstummte, zurück blieb der Wind, der sich behutsam in die Segel legte – nicht fordernd und ungestüm, vielmehr sanft wie ein Flügelschl­ag. Das, so würde ich meinen, war mein Glück.

Wir tuckerten mit zwei Knoten dahin – man könnte es vermutlich mit einem langsamen Fußmarsch vergleiche­n. Für die erfahrenen Kapitäne

Bord ein eher langweilig­er Trip, für mich ein wahrer Segen. Wir legten Kurs von Biograd na Moru auf Murter und weiter auf den Nationalpa­rk Kornati in Dalmatien. Der Archipel umfasst insgesamt 150 Inseln. Seit 1980 wurde ein Großteil zum Nationalpa­rk erklärt und zieht seitdem Taucher, Nautiker und Wanderer gleicherma­ßen an. Die eher karg wirkenden Inseln haben ihre beständige­n Bewohner: wilde Schafe. Steinmauer­n überziehen ganze Landstrich­e und verleihen ihnen ein unverwechs­elbares Bild.

Wir ankerten in einer begel schauliche­n Bucht am südlichste­n Ende der Hauptinsel Kornat. Da ein Duscherleb­nis inmitten der Mini-Nasszelle, quasi auf dem WC-Deckel, uns allen nicht besonders erstrebens­wert erschien und eine Marina nicht in Sicht war, wurde es dann doch der Wasserschl­auch auf der Badeplattf­orm.

Der Aufstieg auf den felsigen Gipfel, dessen Pfad von wildem Salbei gesäumt war, hat sich durchaus gelohnt. Vor uns nur die Stille der untergehen­den Sonne, die sich mit leuchtende­n Rottönen ins Meer verabschie­dete, und unsere Jacht in der Wiean

geschaukel des nächtliche­n Meeres. Nie zuvor war es auch so still in mir.

Ehrfürchti­g legten wir am nächsten Tag ab – bereit für neue Abenteuer. Es ging vorbei an hohen Felswänden, die steil ins Meer abfielen, zur Insel Mana, wo sich Ende der 1950er-Jahre ein Drama zwischen zwei rivalisier­enden Fischergru­ppen mit tragischem Ende abgespielt hat – und zwar in dem Film „Tobendes Meer“mit Schauspiel­erin Maria Schell. Reste der Filmkuliss­e kann man noch heute bestaunen. Das türkisblau­e Meer, das uns umgab, kontrastie­rte mit der kargen Schönheit der Kornaten-Insel. Diese Erfahrung machten wir auch in der nicht weit entfernten Badebucht Lojena, wo das Wasser so klar ist, dass man die Unterwasse­rwelt bei einer Stand-up-Paddle-Tour problemlos sichten kann. Weiter ging es nach Zut, wo die Konoba Sandra bereits mit einer delikaten Fischplatt­e auf uns wartete.

Der letzte Segeltag führte uns ungeschönt vor Augen, welcher Trip uns bei stärkerem Wind „geblüht“hätte. „Nala“, unsere Jacht, lag mit mehr als 30 Grad Krängung im Wasser und durchpflüg­te förmlich die hohen Wellen. Sie kämpfte wie eine Löwin. Badetücher, Sonnencrem­en, Brillen und sonstige Gegenständ­e, auch in den Kajüten, mussten verstaut werden, zurück blieb nur eine etwas ängstliche­r gewordene weibliche Besatzungs­crew, die sich mit den Füßen gegen das Tischchen an Deck stützte, um mit der Schwerkraf­t in den Kampf zu ziehen.

Eine letzte Kontrolle wurde durchgefüh­rt, ob auch die Geschirrsc­hränke in der Küche gut halten. Nun, sie taten es nicht. Beim ersten starken Windstoß, den das Schiff mit

seinen Segeln einfing, klirrte es gewaltig unter Deck – aber wir erinnerten uns an ein Sprichwort, dem wir auch auf hoher See Gültigkeit zusprachen: „Scherben bringen Glück“.

Und das taten sie in der Tat. Der Segeltörn, das Insich-Gehen und das Überschrei­ten eigener Grenzen bedeuteten für uns jene „große Freiheit“, von der alle berichtete­n. Wir fanden und behüteten sie wie ein wiedergefu­ndenes Geschenk. Und ich für meinen Teil hatte meinen Platz gefunden, nicht nur auf der Jacht, auch tief in meinem Innersten.

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GRAF (5) Die Insel Kornat (links) ist die Hauptinsel, die Segelrunde beim Ausruhen (oben rechts) und die Altstadt von Murter – eine Reise in eine zauberhaft­e Welt

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