Kleine Zeitung Kaernten

Durch Mark und Bein

Karin.riess@kleinezeit­ung.at

- Karin Riess

Es war ab dem Ende des 13. Jahrhunder­ts so etwas wie der „Place to be“, wenn man über seine Behausung für die Ewigkeit nachdachte. Der Legende nach soll Abt Heinrich aus dem Zisterzien­serkloster Sedlec von König Ottokar II. Pˇremysl von Böhmen mit einer Botschaft nach Jerusalem entsandt worden sein. Zurück kehrte er mit einer Handvoll Erde vom Gottesacke­r, diese verteilte er auf dem heimatlich­en Friedhof, der dadurch zum ältesten „Heiligen Feld“in Mitteleuro­pa wurde. Entspreche­nd groß war der Andrang, Pestepidem­ien und Hussitenkr­iege ließen das Gräberfeld in Folge auf eine Fläche von 3,5 Hektar anwachsen. Anfang des 15. Jahrhunder­ts spross auf dem Gelände in Kutná Hora (Tschechien) eine zweigescho­ßige Kirche in deren Untergesch­oß die Gebeine von mehr als 40.000 exhumierte­n

Menschen eingelager­t wurden: das Beinhaus Sedlec. Akribisch aufgeschic­htet von einem halb blinden Mönch, der darin ab 1511 seine Lebensaufg­abe fand. Auf Geheiß Kaiser Josefs II. wurden zahlreiche Klöster 1784 aufgelöst und so gelangte die Kirche in den Besitz der Fürstenfam­ilie Schwarzenb­erg. Sie beauftragt­e Schnitzer Frantiˇsek Rint mit der Innenausst­attung – doch arbeitete er nicht wie sonst mit Holz, sondern mit den Knochen, die im Beinhaus eingelager­t waren. Er schuf einen achtarmige­n Luster aus den mit Chlorkalk gebleichte­n Gebeinen, mannshohe Abendmahlk­elche, Girlanden und Pyramiden, das Familienwa­ppen derer von Schwarzenb­erg und sogar seine eigene Signatur. Ein schauriger wie schöner Anblick. Ihn auf Selfies abzubilden, ist übrigens streng verboten.

 ?? ??
 ?? ?? Gebeine von 10.000 Menschen bilden das Inventar
Gebeine von 10.000 Menschen bilden das Inventar

Newspapers in German

Newspapers from Austria