Wie der Fußball zwei Welten vereinen konnte
Auf dem Rasen und an den Theken fanden Fans der Eintracht und Sirnitz beim Hinti Cup trotz schlechter Vorzeichen zueinander. Ausgelassene Stimmung, hunderte Kicker und eine Goldene Ananas. Mehr Martin Hinteregger geht nicht.
Die Hymne von Frankfurt ist schon beim Soundcheck bis auf die Terrasse von Schloss Albeck zu hören. „Im Herzen von Europa“lautet der Titel des Fanliedes der Eintracht. Ein ungewollt passender Beitrag zur Debatte um Offenheit, Toleranz und Ausgrenzung. Vom Sportplatz Sirnitz bis hinauf zum Schloss Albeck ist es nur ein kurzer Marsch, der „verbotene Ort“ist immer in Sichtweite. Doch die Aufregung der vergangenen Tage ist der ländlichen Ruhe und Idylle gewichen. Dazu hat auch die Nacht vor Tag eins des Hinti Cups beigetragen. „Was ist denn jetzt so schlimm an dir?“, wurde Heinrich Sickl beim Besuch in Martin Hintereggers Stammgasthaus häufig gefragt. So fand man schnell ins Gespräch, lernte einander kennen.
Der Schlossherr von Albeck ist jener Mann, der durch seine Verbindung zu den Identitären und einer gemeinsamen – mittlerweile aufgelösten – Geschäftsbeziehung mit Hinteregger das Hobbyturnier beinahe zu Fall gebracht hätte. Das Festival rund um die Veranstaltung auf einer Wiese neben dem Schloss wurde aufgrund des massiven öffentlichen Drucks abgesagt. DJ Ötzi und Melissa Naschenweng kommen an diesem Wochenende nur noch vom Band. Eine Sportveranstaltung wurde plötzlich hochpolitisch. Der ÖFB und Eintracht Frankfurt sahen sich zu einordnenden Statements gezwungen. Die Telefone der Protagonisten blieben für kaum einen Moment mehr stumm. So richtig verstehen wollte man die Bedenken aus Teilen der Frankfurter Fanszene nicht.
Die Stimmung sollte das nicht trüben. 54 Männer- und Mixed-Mannschaften rannten neben Jugend- und Frauenteams auf drei Kärntner Dorffußballplätzen der Goldenen Ananas hinterher. Hinzu kommen Dämmerschoppen, Almausflüge und Bieranstiche. Und all das mit dem Gütesiegel eines amtierenden Europa-League-Siegers versehen. Mehr Hinteregger geht nicht mehr.
Dem 29-Jährigen selbst ging es von Anfang an nur um drei Dinge. Fußball, Freunde, Spaß. Das Bier läuft mit. Einen mit einem Medium vereinbarten TV-Termin ließ der Sirnitzer Naturbursche zugunsten einer Wanderung
mit seinen Kumpels platzen. Er bleibt, wie er ist. Auch das Boulevardblatt „Bild“oder das Fachmagazin „11 Freunde“haben den Weg ins Kärntner Gurktal gefunden. Bei den 277 Einheimischen ist die Freude über die zweifelhafte Aufmerksamkeit enden wollend. Wo auch immer die Erwartungen liegen. Zur Schau gestellte Fremdenfeindlichkeit würde man nicht finden.
Die Prioritäten sind für Hinteregger an diesem Wochenende noch klarer als im restlichen Jahr. Rechtsaußen ist der Teamspieler schon auf dem Feld keiner. Das Thema Sickl hat das Festival gekostet, es sei alles gesagt und alles geschehen. Der 49-Jährige war auf Demonstrationen der Identitären – „ein- oder zweimal, nicht jedes Wochenende“, wie er sagt – und hat der als rechtsextrem eingestuften Bewegung in Graz Räumlichkeiten vermietet. „Ich bin vollkommen unbescholten und es gibt nichts, wofür ich mich rechtfertigen muss. Politisch bin ich nicht mehr aktiv“, sagt der ehemalige Grazer Gemeinderat der FPÖ. Wie in der Burschenschaft – ein Schmiss über die rechte Wange bis zur Nasenspitze bleibt ewiger Zeuge – ist er auch bei den Freiheitlichen noch Mitglied. Berührungspunkte mit den Identitären gäbe es allein schon mangels Zeit keine mehr.
Ganz so „verboten“war am Ende auch Schloss Albeck nicht mehr. Immerhin kann man dort auch die sehenswerte Ausstellung „Faszination Fußball“bewundern. Im Gastgarten der Kultureinrichtung wurde bis in die Morgenstunden gefeiert. „Ich kenne und liebe beide Welten“, sagt Hinteregger über alte und neue Heimat. Der Fußball hat sie unter schlechten Vorzeichen doch noch vereint.