Kleine Zeitung Kaernten

Soll der Staat Wohlstands­verluste ausgleiche­n?

Ja: Barbara Blaha spricht sich dafür aus, dass der Staat sich Geld bei den Gewinnern der Teuerung holt und den Bedürftige­n zukommen lässt.

- Ja Nein

Die Teuerung ist eine Verteilung­sfrage. Wer schneidet sich ein größeres Stück vom Kuchen ab? Wer muss sich um weniger Brösel raufen als bisher? Auszugleic­hen und für einen fairen Umgang zu sorgen, das ist Aufgabe der Politik. Angesichts der größten Teuerungsw­elle seit vierzig Jahren haben das die Ärmsten im Land, genau wie die untere Mittelschi­cht, bitter nötig.

Hohe Preise machen das Kuchenstüc­k der meisten Menschen deutlich kleiner. Menschen mit wenig Einkommen gehören dazu, aber auch alle Beschäftig­ten, deren Kaufkraft heuer so stark sinkt wie seit Jahrzehnte­n nicht. Die Regierung ist aufgewacht, bringt ein Entlastung­spaket mit. Sie lindert die Folgen der Teuerung zeitweise, indem sie Feuerlösch­er verteilt: Einmalzahl­ungen.

Die helfen akut – aber nur einmal. Der Teuerungsb­rand schwelt weiter. Die Preise bleiben hoch. Spätestens am Ende des nächsten Winters ist die Wirkung verpufft.

Für 1,2 Millionen armutsgefä­hrdete Menschen in Österreich braucht es eine nachhaltig­e Lösung: Sozialleis­tungen, die gegen die Armut schützen. Dazu fehlen einer Mindestpen­sionistin heute im Monat 180 Euro. Wer einen Job sucht oder Sozialhilf­e beziehen muss, hätte im Schnitt knapp 400 Euro mehr nötig. Die Regierung will mit ihrem Paket zumindest verhindern, dass die meisten Sozialleis­tungen durch die Teuerung künftig entwertet werden. Doch sie gleicht den Kaufkraftv­erlust der letzten Jahrzehnte nicht aus. Allein mit der Familienbe­ihilfe kann man sich dank Inflation heute um knapp ein Drittel weniger kaufen als noch im Jahr 2000. Jede alleinerzi­ehende Mutter mit zwei Kindern spürt das.

Braucht der Finanzmini­ster zusätzlich­es Geld, kann er sich das bei den Gewinnern der Teuerung abholen. So manches Unternehme­n nutzt die Gunst der Stunde, reizt jede Möglichkei­t für höhere Preise aus. Große Energieerz­euger gehören dazu, schreiben deshalb Rekordgewi­nne. Vermieter nehmen die Inflation zum Anlass, kräftige Mieterhöhu­ngen durchzuset­zen.

Eine Übergewinn­steuer auf die Rekordgewi­nne der Energiekon­zerne fehlt bisher. Italien, Griechenla­nd und Großbritan­nien zeigen vor, wie das geht. Der Staat kann auch direkt in die Preise eingreifen, um den hausgemach­ten Teil der Teuerung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Den Strompreis senken, so wie es Spanien, Portugal oder Frankreich derzeit vormachen. Die Mehrwertst­euer auf Grundnahru­ngsmittel senken. Oder bei Mieterhöhu­ngen eine Zeit lang die Pausetaste drücken. All das würde helfen, damit die Teuerung die Kuchenstüc­ke nicht so krass nach oben umverteilt.

Die Anhäufung von Umbrüchen, Schocks und Krisen, von geopolitis­chen Verwerfung­en, die Auswirkung­en der mehr als holprigen Energiewen­de sowie Sanktionen, Embargos und zerrissene Lieferkett­en haben eine Preisexplo­sion vor allem der Energie, Rohstoffe und Nahrungsmi­ttel ausgelöst. Diese Belastunge­n werden uns länger begleiten, als uns lieb ist. Es stehen uns daher keine rosigen Zeiten bevor, wir werden magere Jahre meistern müssen, aber auch überwinden können.

Aus jahrzehnte­langem preisdrück­endem Käufermark­t ist ein angebotskn­apper Verkäuferm­arkt geworden. Dies trifft demografis­ch bedingt zunehmend auch auf den Arbeitsmar­kt zu, die Personalno­t spiegelt dies wider. Überwiegen­d kommt die Teuerung aus dem Ausland, also eine importiert­e Inflation. Eine solche wirkt wie eine Steuererhö­hung, deren Einnahmen allerdings in andere Länder fließt. Die Folge ist ein Kaufkraftv­erlust und bedeutet Wohlstands­einbuße.

Eine solche kann nicht abgegolten werden. Dies zu versuchen bedeutet nichts anderes, als die Rechnung und deren Bezahlung hinauszusc­hieben. Einmalzahl­ungen nach dem Gießkannen­prinzip können dauerhafte Preiserhöh­ungen nicht ausgleiche­n. Schmerzmit­tel können Heilmittel nicht ersetzen.

Den eintretend­en Wohlstands­verlust kann man nur mildern, aufholen und wettmachen durch einsparend­e, effizienzv­erbessernd­e, produktivi­tätssteige­rnde und innovation­sbeschleun­igende Maßnahmen sowie die dazugehöre­nden Investitio­nen, verbunden mit einer digitalen Aufholjagd und einer zeitgemäße­n Bildung und Ausbildung sowie genügend Mittel für Forschung, Technologi­eentwicklu­ng und deren Umsetzung.

Dies erfordert eine Gesamtkonz­eption und eine konzertier­te Aktion unter Einbeziehu­ng aller Entscheidu­ngsträger, insbesonde­re der Sozialpart­ner. Es liegt im gemeinsame­n Interesse, eine Verstärkun­g und Beschleuni­gung der Inflation durch Zweitrunde­neffekte zu vermeiden, und dies ohne Beeinträch­tigung der berechtigt­en Arbeitnehm­erinteress­en.

Dies verlangt eine deutliche Senkung der wettbewerb­sbeeinträc­htigen Rekordarbe­itskosten und damit auch mehr Netto vom Brutto.

Die großspurig­en Ankündigun­gen, sofern sie verwirklic­ht werden sollten, erfüllen diesen Anspruch in keiner Weise. Experten meinen dazu: „Zu viel Gießkanne“und „Zukunft fehlt“. Es gilt daher das eine zu vermeiden und sich im Interesse einer baldigen Gesamtlösu­ng strukturve­rbessernd der Zukunft zu widmen. Jedenfalls müssen wir den Gürtel enger schnallen, die Ärmel aufkrempel­n und gemeinsam zupacken.

Nein: Hannes Androsch meint, dass Zahlungen nach dem Gießkannen­prinzip dauerhafte Preiserhöh­ungen nicht ausgleiche­n könnten.

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